- vzbv-Auswertung zeigt Datenschutzlücken bei Telemedizin- und Arzttermin-Portalen.
- Politik muss Datenschutz bei Videosprechstunden gewährleisten.
- vzbv mahnt mehrere Plattformanbieter ab.
Bei Telemedizin- und Arzttermin-Portalen, die Videosprechstunden anbieten, zeigen sich immer wieder Datenschutzlücken. Das zeigt eine Untersuchung des Projektes „Verbraucherschutz bei digitalen Gesundheitsangeboten“ des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Der vzbv fordert, dass Plattformanbieter Datenschutzstandards für sensible Gesundheitsdaten einhalten, damit Verbraucher:innen diese bedenkenlos nutzen können.
„Videosprechstunden sind eine sinnvolle Ergänzung im Gesundheitsbereich. Wenn sie gezielt eingesetzt werden, können sie den Behandlungsprozess ergänzen, den Zugang zu ärztlicher Versorgung verbessern und Ansteckungsrisiken mindern. Dabei ist unverzichtbar, dass die Plattformen geltende Verbraucherschutzstandards erfüllen“, so Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege beim vzbv.
Bei der Nutzung von Telemedizin- und Arzttermin-Portalen, die Videosprechstunden anbieten, übermitteln Patient:innen direkt und indirekt sensible Daten, wie den Besuchsgrund oder die jeweilige Facharztrichtung. Auch aus Termindaten lassen sich Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand ziehen. Aus Sicht des vzbv sollten diese Daten als besondere Kategorien personenbezogener Daten der Datenschutzgrundverordnung behandelt werden. Dafür ist eine ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten erforderlich. Die vzbv-Untersuchung zeigt, dass sieben der neun geprüften Anbieter keine oder nur eine unzureichende ausdrückliche Einwilligung einholen.
„Bei der Nutzung der Plattformen müssen sich Verbraucher:innen auf geltende Datenschutzbestimmungen verlassen können. Die Anbieter der Plattformen müssen dafür sorgen, dass Datenschutzstandards umfassend umgesetzt werden“, so Moormann.
Acht von neun untersuchten Anbieter geben in der Datenschutzerklärung außerdem an, Tracking-Dienste zu verwenden. Diese werten das Verhalten von Nutzer:innen aus, etwa für Marketingzwecke. Aus Sicht des vzbv ist es grundsätzlich kritisch, Gesundheitsdaten oder Daten, die Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zulassen können, für Werbezwecke zu verarbeiten.
Auch der Digital Services Act (DSA), den die EU im Sommer 2022 verabschiedet hat, untersagt es Online-Plattformen, sensible Daten für Werbung zu verwenden. Der vzbv fordert von den Anbietern, die Regelungen nun schnell umzusetzen. „Nicht nur die reine Übertragung des Videos, sondern auch der Zugang zur Videosprechstunde sollte frei von Tracking und Werbung sein. Sollte es nach Inkrafttreten des DSA Schutzlücken geben, muss die Bundesregierung diese schließen. Patient:innen müssen vor Tracking und einer Manipulation durch Werbung über die aktuellen Regelungen geschützt sein“, so Moormann.
Der vzbv fordert zudem, dass die Möglichkeit eines Gastzugangs zu Videosprechstunden verpflichtend angeboten werden sollte. Dadurch können Verbraucher:innen das Angebot niedrigschwelliger nutzen.
Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse wurden zwei Anbieter wegen verschiedener Datenschutzverstöße abgemahnt. Die Abmahnungen betreffen beispielsweise eine mangelhafte Ausgestaltung der ausdrücklichen Einwilligung in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten oder eine zu lange Speicherdauer. In beiden Fällen wurden die Verfahren bereits außergerichtlich durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung beendet. Weitere Abmahnungen werden geprüft.
In einer internetrepräsentativen Online-Befragung im Auftrag des vzbv bestätigen gut drei Viertel der Befragten (76 Prozent), dass ihnen der Schutz ihrer Daten bei digitalen Gesundheitsangeboten sehr bzw. eher wichtig ist. Fast die Hälfte (49 Prozent) macht die Entscheidung davon abhängig, ob sie ein digitales Gesundheitsangebot nutzt. Guter Datenschutz ist somit für Anbieter im Gesundheitswesen nicht nur unumgänglich, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen, sondern auch, um Akzeptanz und Nutzung zu gewährleisten.
Die vorliegenden Ergebnisse entstanden im Rahmen des Projektes Verbraucherschutz bei digitalen Gesundheitsangeboten. Ziel des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) geförderten Projektes ist, Verbraucher:innen vor Problemen im Zusammenhang mit neuen digitalen Angeboten zu warnen. Zudem soll politischer, kollektivrechtlicher oder gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Gesundheitssektor aus dieser Analyse abgeleitet werden.
Es wurden insgesamt neun Anbieter ausgewählt: Zum einen aus der Liste zertifizierter Videodienste der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), zum anderen über eine Suchmaschinenrecherche, bei denen der Arztkontakt auf Initiative der Patient:innen primär über den Videosprechstundenanbieter bzw. die Plattform vermittelt wird.. Der vzbv analysierte die Datenschutzerklärungen dieser Anbieter auf vorab definierte, die DSGVO betreffenden Prüfkriterien.
Internetrepräsentative Online-Befragung von eye square im Auftrag des vzbv. 1.100 Internetnutzer:innen ab 16 Jahren wurden befragt, davon 167 Nutzer:innen von Videosprechstunden. Die Erhebung fand vom 01. bis 07. Dezember 2022 statt. Statistische Fehlertoleranz: max. ± 3 Prozentpunkte in der Gesamtstichprobe.