Anbieter können sich mit verbraucherfreundlich gestalteten Produkten und Dienstleistungen gegenüber Mitbewerbern positionieren. Diese Chance sollten sie nicht verstreichen lassen.
Drei von vier Verbraucher:innen sprechen sich für strengere Verbraucherschutzvorgaben für Hersteller und Anbieter von Produkten und Dienstleistungen aus – so ein zentrales Ergebnis des Verbraucherreports 2021 des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Aus dieser Erwartung ergibt sich einerseits ein eindeutiger Auftrag für die Verbraucherpolitik: Überall dort, wo der Markt sich nicht selber reguliert, braucht es klare Rahmenbedingungen, Standards und Vorgaben.
Andererseits – und das wird manchmal übersehen – zeigen sich in solchen Aussagen auch Kundenbedürfnisse. Und diese sollten Unternehmen ja erfüllen, wenn sie erfolgreich am Markt agieren wollen.
Insofern sollten Anbieter ein starkes Eigeninteresse daran haben, verbraucherfreundlich zu agieren und nicht erst auf Vorgaben der Politik zu reagieren. Das meint besonders: Sich am Markt mit innovativen, Vertrauen schaffenden Angeboten zu etablieren, kann einen enormen Gewinn an Reputation und Kundenvertrauen bedeuten – und liegt damit im wohl verstandenen Eigeninteresse von Unternehmen.
Keine Frage, Preise sind der am leichtesten zu greifende Indikator bei einer Konsumentscheidung. Niemand möchte und sollte mehr bezahlen, als er dafür bekommt. Gleichzeitig können Verbraucher:innen Eigenschaften wie Qualität oder Nachhaltigkeit bisher oft eben nicht einfach am Preis ablesen.
Die Stiftung Warentest kommt bei ihren Tests immer wieder zu dem Ergebnis, dass teurer nicht automatisch besser ist. Das spüren auch Verbraucher:innen und deshalb berücksichtigen sie in den Konsumentscheidungen bewusst oder unbewusst auch weitere Faktoren wie Erfahrungswerte, Empfehlungen von Familie und Freunden, Werbeversprechen oder auch Markenimage.
An dieser Stelle können Anbieter ansetzen. Sie können Verbraucherschutz als Chance verstehen, sich mit (hoch)wertigen Produkten am Markt zu positionieren und sich so Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu sichern. Zugleich befeuern sie so einen Qualitätswettbewerb statt eines Preiswettbewerbs.
Konkret heißt das, auf einen ressourcenschonenden und nachhaltigen Einsatz von Rohstoffen zu achten, schon bei Produktentwicklung und -design den echten Mehrwert mitzudenken, Reparierbarkeit und lange Nutzungsdauern zu ermöglichen. Insbesondere bei Vertrauensgütern wie Vorsorge- und Versicherungsprodukten müssen verlässliche Leistungen vereinbart werden und keine Klauseln im Kleingedruckten, die die erwartete Leistung aushebeln. Im Schadensfall – egal ob bei Hochwasser oder einer Berufsunfähigkeit – müssen sich Menschen auf den versprochenen Schutz verlassen können.
Zugegeben, das alleine wird nicht automatisch dazu führen, dass Verbraucher:innen zu den besten statt den billigsten Produkten greifen. Ein günstiger Preis wird immer ein wichtiger Aspekt bei der Kaufentscheidung bleiben – umso mehr, desto kleiner das Einkommen eines Haushalts ist. Vor allem aber müssen Unternehmen das Vertrauen in bessere Produkte und Angebote erst aufbauen, dass ein höherer Preis für ebensolche Produkte gerechtfertigt ist. Das braucht Zeit und Geduld – mittel- und langfristig werden Unternehmen davon aber profitieren.
Und es ist gar nicht so schwer. Schließlich können Unternehmen heute die Potenziale der Digitalisierung für effiziente und kundenfreundliche Abläufe nutzen. Welchen Vorteil hätte eine Fluggesellschaft, die Ticketkosten für ausgefallene Flüge automatisiert erstattet? Oder eine Airline, die Entschädigungen bei Verspätungen als Chance für die Verbesserung der Beziehung zu ihren Kunden begreift?
Verbraucher:innen, die sich an eine Schlichtungsstelle oder gar an ein Gericht wenden müssen, kosten Unternehmen mittelfristig viel mehr als den monetären Streitwert. Sie sind Multiplikatoren eines Ärgers, der letztlich nicht nur Justiz und Schlichtungsstellen belastet, sondern zu Vertrauensverlust führt und so auch die Bilanzen der Unternehmen belastet.
Daher gilt: Der Preis wird weiterhin ein wichtiger Indikator für Konsumentscheidungen bleiben. Aber er ist eben nicht der einzige. Verbraucherfreundliche Ansätze sind für Unternehmen kein Hindernis, sondern eine Chance, sich zukunftsfähig aufzustellen und sich als verlässliche, innovative und vertrauensvolle Akteure im Wettbewerb zu etablieren.
Dafür nötig sind das Verständnis eines kooperativen Verbraucherschutzes, eines Agierens von Anbietern und Verbraucher:innen auf Augenhöhe sowie unabhängige und verlässliche Informations- und Bildungsangebote. Nur so können Verbraucher:innen ein umfangreiches Verständnis der Mechanismen entwickeln und unterschiedliche Indikatoren besser in ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen. Nicht zuletzt braucht es ein Unternehmerverständnis, das mit seinen Angeboten echte Mehrwerte für Verbraucher:innen schaffen will.