Chaotische Zustände auf deutschen Flughäfen gehören fast schon Alltag für Reisende: Lange Warteschlangen, Verspätungen, Ausfälle und Gepäckverlust. Nach den Flug-Chaos-Sommern von 2018 und 2019 hatte die Corona-Pandemie lange vorhandene, strukturelle Probleme der Flugbranche zu Tage gefördert. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre machen deutlich, dass die Praxis der kompletten Vorkasse bei Flugreisen für Verbraucher:innen unfair ist und abgeschafft gehört.
Die Insolvenz von Air Berlin hat 200.000 deutschen Verbraucher:innen schmerzlich verdeutlicht, dass sie im Falle einer Airline-Insolvenz schutz- und wehrlos sind. Das meist monatelang im Voraus gezahlte Geld für teure Langstreckenflüge war unwiederbringlich verloren.
Dass Kund:innen bei Flugbuchungen ausnahmsweise mit dem gesamten Flugpreis in Vorleistung gehen müssen, hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2016 für zulässig erachtet Demnach sei das Insolvenzrisiko laut BGH bei einem EU-Luftfahrtunternehmen wegen der EU-Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen deutlich verringert.
Die Fakten sprechen hingegen eine andere Sprache: Schon wenige Monate nach Verkündung der BGH-Urteile gab es viele und spektakuläre Airline-Pleiten in Europa: neben der von Air Berlin, Niki, Germania Air, Thomas Cook Aviation. Allein 2019 stellten weltweit 23 Fluggesellschaften ihren Betrieb ein.
Airlines müssen daher gesetzlich verpflichtet werden, eine Insolvenzversicherung zugunsten der vorausbezahlten Kundengelder abzuschließen. So wird es bereits mit Anbietern von Pauschalreisen seit über zwanzig Jahren europaweit gehandhabt, ohne dass es internationale Wettbewerbsverzerrungen gäbe. Denn die angestrebten Insolvenzschutz-Regelungen sollten für jede Airline gelten, die in Europa startet oder landet, und für jeden auf dem europäischen Markt angebotenen Flug.
Damit nicht allein der Fluggast durch die Vorauszahlung das Risiko der Airline-Insolvenz tragen muss, wäre für den beiderseitigen Interessenausgleich maximal eine Anzahlung bei Flugbuchung gerechtfertigt.
Fluggäste müssen oftmals lange auf die Rückzahlung warten
Ein Großteil der Airlines konnte im Corona-Jahr 2020 ihre Liquidität lediglich dadurch aufrecht erhalten, indem sie ihre Kund:innen zwangsweise als Kreditgeber:innen genutzt und Kundengelder gesetzeswidrig Wochen oder gar Monate später zurückgezahlt haben.
Annulliert eine Airline den Flug, haben Verbraucher:innen die Wahl zwischen der Erstattung des Flugpreises oder einer anderweitigen Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen oder späteren Zeitpunkt. Dabei ist in der Fluggastrechteverordnung klar festgelegt, dass Rückzahlungen bei individuell geplanten Flugreisen binnen sieben Tagen erfolgen müssen. Diese Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem die Zahlungsaufforderung bei der Fluggesellschaft eingeht.
Pauschalreisende und Fluggäste gleichbehandeln
Pauschalreisende werden im Gegensatz zu Fluggästen nicht nur durch die Insol-venzabsicherung geschützt, sondern auch durch die Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs, der bei Pauschalreisen die Höhe von An- und Restzahlungen beschränkt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Az.: X ZR 71/16) darf der Veranstalter eine Anzahlung von 20 Prozent und eine Restpreisfälligkeit von vier Wochen vor Reisebeginn vereinbaren. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf die Anzahlung höher als 20 Prozent sein, nämlich dann, wenn der Veranstalter höhere Vorleistungskosten nachweist. Damit behandelt der BGH Pauschalreisende und Fluggäste ungleich. Diese Ungleichbehandlung muss der Gesetzgeber aufheben.
Fliegen geht auch ohne Vorkasse
Dass es auch ohne Vorkasse geht, hat der vzbv in einem Gutachten (Link zum Gutachten) bereits nachgewiesen. Ein positiver Effekt wäre, dass Airlines und Reiseveranstalter ihr Geschäftsmodell nicht mehr auf der Vorkasse der Kund:innen aufbauen könnten. Kredite müssten aufgenommen werden. Kreditgebende Banken können viel besser als Kund:innen einschätzen, wie kreditwürdig ein Reiseanbieter oder eine Airline ist. Falls Kreditunwürdigkeit droht, würden Kund:innen weniger darunter leiden müssen.