Datum: 20.03.2017

Berufsunfähigkeitsversicherung darf nicht auf eine fiktive Berufstätigkeit abstellen

BGH urteilt in letzter Instanz auf Klage des vzbv

Richter-Hammer

Quelle: andriy popov

Versicherer dürfen in die Bedingungen für eine Berufsunfähigkeitsversicherung keine Klausel aufnehmen, wonach die berufliche Tätigkeit des Versicherten abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten nur dann versichert ist, wenn sie zu 90 Prozent aus Schreibtischtätigkeit besteht. Eine solche AGB sei intransparent und zudem inhaltlich bedenklich. Das hat der BGH in letzter Instanz auf Klage des Verbraucher­zentrale Bundesverbandes entschieden.

Die beklagte Volkswohl Bund Lebensversicherung aG hatte einem Interes­senten zwei Angebote für eine Berufsunfähigkeitsversicherung unterbreitet: eines für 1.593,59 Euro und eines für 1.127,16 Euro. In den Klauseln des günstigeren Angebotes war festgelegt:

„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit, mit der Maßgabe, dass sie zumindest 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungs­prüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis.“

Das widersprach allerdings § 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Selbständige Berufs­unfähigkeitsversicherung. Danach gilt als versicherter Beruf genau die Tätigkeit, die zuletzt aus­geübt wurde.

BGH bemängelt Unklarheit der entstehenden Versicherungslücke

Diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis vom versicherten Beruf erschließe sich einem „durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei der Ent­schei­dung über die Auswahl der beiden ihm unterbreiteten Angebote nicht hin­reichend“ urteilte der BGH. Vor allem werde nicht mit der erforderlichen Klarheit die Gefahr der Versicherungslücke verdeutlicht, die mit der Klausel entsteht. Denn die Berufsunfähigkeit soll für den Versicherungsnehmer das Risiko von Einnahmeverlusten abdecken, wenn dieser seinen tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Klausel fingiere aber eine Tätigkeit, die der Versicherte nicht ausübt. Und von einer solchen fiktiven ver­sicherten Tätigkeit werde der Verbraucher nicht ausgehen.Somit fehle es an der erforderlichen Transparenz, folgerte der BGH.

Nach Auffassung des BGH bestehen auch erhebliche Bedenken, ob die Klausel, neben der fehlenden Klarheit, auch wegen unangemessener Be­nach­teiligung unwirksam sei. Der Ver­tragszweck könne gefährdet sein, wenn lediglich eine sitzende Tätig­keit von mindestens 90 Prozent abgesichert sei und nicht die „konkret beruflich geprägte Lebensstellung“. Das musste der BGH aber nicht entscheiden, da bereits das Transparenzgebot verletzt war. Bereits das Landgericht und das Kammergericht hatten dem Verbraucherzentrale Bundesverband Recht gegeben und die Klausel für intransparent gehalten.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2017, IV ZR 91/16

Datum der Urteilsverkündung: 15.02.2017
Aktenzeichen: IV ZR 91/16
Gericht: Bundesgerichtshof

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