Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat zwei Rechtsgutachten zur Nachhaltigkeitszertifizierung von transnationalen textilen Lieferketten veröffentlicht.
Die Gutachten im Auftrag des vzbv bieten Antworten auf zwei Fragen:
1. Ist es möglich eine Akkreditierungspflicht für Nachhaltigkeitssiegel im Textilsektor einzuführen, um diese einer staatlichen Kontrolle zuzuführen?
2. Wie kann der rechtliche Rahmen für Zertifizierungsorganisationen verbessert werden, um die Qualität von Zertifizierungen im Textilsektor zu erhöhen?
Das Ergebnis der Gutachter:innen:
1. Die Einführung einer Akkreditierungspflicht von Nachhaltigkeitssiegeln im Textilsektor auf nationaler Ebene begegnet rechtlichen Bedenken. Eine Regelung auf europäischer Ebene ist jedoch möglich und wäre effektiver.
2. Zudem gibt es verschiedene Handlungsmöglichkeiten, um die rechtliche Verantwortung von Zertifizierungsorganisationen sicherzustellen und die Verlässlichkeit von Zertifizierungen zu erhöhen. Dies kann durch eine verpflichtende Zertifizierung und durch die Schaffung von organisatorischen und strukturellen Vorgaben für Zertifizierer und die Festschreibung von materiellen und prozeduralen Pflichten bei der Zertifizierung erreicht werden.
Der vzbv fordert daher:
- den haftungsrechtlichen Rahmen von Nachhaltigkeitszertifizierung in Lieferketten zu verbessern,
- Zertifiziererpflichten auf nationaler oder europäischer Ebene gesetzlich zu verankern, um Anreize für Zertifizier zu schaffen, die Qualität und Integrität von Zertifizierungen zu erhöhen,
- eine europäische Akkreditierungspflicht für Nachhaltigkeitssiegel im Textilsektor bei den zuständigen staatlichen Stellen einzuführen,
- dass Nachhaltigkeitssiegel (Zertifizierung der Produktion vor Ort) nicht ausschließlich als Nachweis für unternehmerische Sorgfaltspflichten im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Betracht kommen dürfen.
Die Erkenntnisse aus dem Textilsektor sind aus Sicht des vzbv in weiten Teilen übertragbar auf weitere Branchen.
Die Unglücke in den Textilfabriken von Ali Enterprises im Jahr 2012 und Rana Plaza im Jahr 2013 haben deutlich gemacht, dass Zertifizierungen nicht geeignet sind, Risiken für Menschenrechte und Umwelt in textilen Lieferketten zu identifizieren. Die Defizite und Schwächen der derzeitigen Zertifizierungspraxis können dazu beitragen, dass Missstände in Lieferketten unentdeckt bleiben. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Differenzierung zwischen der Zertifizierung der Produktion vor Ort (z.B. Nachhaltigkeitssiegel für Textilien) und der Zertifizierung der Sorgfaltspflichtenübernahme im Rahmen lieferkettenweiter Organisations-, Sicherheits- und Kontrollsysteme.
Beide Arten der Zertifizierung sind unerlässlich für die zuverlässige Identifizierung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken. Der vzbv sieht das geringe Haftungsrisiko für Zertifizierungsunternehmen als ursächlich für die Unzuverlässigkeit von Zertifizierungen an, denn oberflächliche und fehlerhafte Zertifizierungen bleiben oftmals folgenlos, wie die Unglücke in den Textilfabriken gezeigt haben. Die Glaubwürdigkeit von Zertifizierungen kann darüber hinaus auch durch staatliche Akkreditierung gestärkt werden, die neben der „Prüfung der Prüfer“ auch die Prüfung von Nachhaltigkeitssiegeln umfassen kann. Bei akkreditierten Nachhaltigkeitssiegeln würde neben der Kompetenz der Zertifizierer unter anderem auch geprüft, ob die Standards und die angewendete Methodik zielführend sind.
Downloads
Förderhinweis
Die Rechtsgutachten wurden im Rahmen des Projekts „Zertifizierung nachhaltiger textiler Lieferketten“ erstellt. Das Projekt wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) im Auftrag der deutschen Bundesregierung gefördert.