Die Abstimmung des EU-Parlaments zur europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) hat eine öffentliche Debatte über die geplanten Mindesteffizienzstandards zur energetischen Sanierung ausgelöst. Widersprüchliche Informationen bezüglich der Kosten und Machbarkeit sorgten in dem Zusammenhang für große Verunsicherung. Um die Debatte zu versachlichen und die Bedeutung der Maßnahmen für den Klimaschutz im Gebäudesektor zu betonen, haben der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv, die Deutsche Umwelthilfe und die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz gemeinsam einen Faktencheck erstellt.
„Investitionskosten und spätere Einsparungen bei den Heizkosten müssen gegengerechnet werden,“ kommentiert Dr. Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim vzbv. „Bewohner, die aufgrund rasant gestiegener Energiekosten am stärksten von Energiearmut betroffen sind, können von der Sanierung der energetisch schlechtesten Gebäude profitieren. Die staatliche finanzielle Unterstützung muss in jedem Fall aber ausreichend sein.“
Als Teil des Pakets „Fit for 55“, mit dem die EU auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2050 gebracht werden soll, hatte die Europäische Kommission bereits im Dezember 2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive - EPBD) vorgelegt. Darin sollen unter anderem Vorgaben zur stufenweisen Verbesserung der energetisch schlechtesten Gebäude eingeführt werden. Die sogenannten Mindesteffizienzstandards (Minimum Energy Performance Standards – MEPS) sollen eine wichtige regulatorische Lücke schließen, um kontinuierlich die Energieeffizienz des Gebäudebestandes zu verbessern. Die Standards sind technologieneutral und bieten Eigentümer:innen die Flexibilität, die Maßnahmen zur Erreichung der geforderten Effizienzstandards individuell zu wählen.
Mit moderaten, aber verbindlichen Anforderungen sollen Eigentümer:innen zur Umsetzung von effizienzsteigernden Maßnahmen angeregt werden. Förderprogramme, die CO2-Bepreisung und Beratungsangebote bleiben ergänzend bestehen und helfen dabei, Sanierungsmaßnahmen sozialverträglich und gleichzeitig möglichst kompatibel mit den Klimazielen auszugestalten. Die EU-Mitgliedsstaaten sind angehalten, die Vorgaben so umzusetzen und in nationale Unterstützungssysteme einzubetten, dass besonders vulnerable Gruppen profitieren und möglichst allen eine Umsetzung ermöglicht wird. Zudem enthält der Entwurf zahlreiche Möglichkeiten, die Anforderungen für bestimmte Gebäude oder Nutzergruppen anzupassen, die sonst Schwierigkeiten hätten, sie zu erfüllen.
Damit Europa und auch Deutschland insgesamt klimaneutral werden können, muss auch der Gebäudesektor klimaneutral werden. Auf Gebäude entfallen in der gesamten Europäischen Union 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der Treibhausgasemissionen; vergleichbar sind die Zahlen in Deutschland. Da mehr als 85 % der heutigen Gebäude im Jahr 2050 noch stehen werden, kommt der energetischen Modernisierung der bestehenden Gebäude eine Schlüsselrolle bei der Zielerreichung zu.
Denn ohne eine deutliche Steigerung der Sanierungsrate und eine deutliche Reduzierung der Energieverbräuche wird eine bezahlbare Energiewende sehr schwierig. Sinken die Verbräuche nicht, entstehen enorme Mehrkosten für das Energiesystem, die dann von allen Verbraucher:innen zu bezahlen wären. Gleichzeitig ist auch klar, dass ohne eine neue Kombination aus Ordnungsrecht, Förderung und CO2-Bepreisung absehbar nicht genügend Sanierungen durchgeführt werden.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine spielt auch das Thema Energiesicherheit und in Folge auch die Energiepreise eine größere Rolle als zuvor. Denn die Bewohner:innen unsanierter Gebäude zahlen bis zu zehnfach höhere Energiekosten im Vergleich zu Bewohner:innen der energieeffizientesten Gebäude und sind oftmals von Energiearmut bedroht oder bereits betroffen.
Leider nein. Deutschlands Gebäude liegen bei der Energieeffizienz im EU-Durchschnitt nicht in der Spitzengruppe. Länder wie die Slowakei oder Irland schneiden z.B. deutlich besser ab. Hinzu kommt: Die energetisch schlechtesten Gebäude, um die es bei der EPBD hauptsächlich geht, verursachen in allen Ländern Europas enorme Verbräuche, Heizkosten und Emissionen. Es ist also sinnvoll, diese Gebäude mit Priorität in den Fokus zu nehmen.
Konkret erst einmal noch gar nichts. Die Europäische Kommission, der Rat (also die Mitgliedsstaaten) und das Europäische Parlament müssen noch verhandeln, wie die Anforderungen konkret aussehen sollen. Im Anschluss müssen sie von den Mitgliedstaaten noch in nationales Recht umgesetzt, wobei ihnen gewisse Spielräume eingeräumt werden. Gleichzeitig liegen die Ideen der drei EU-Organe zur Ausgestaltung der MEPS noch relativ weit auseinander, so dass seriöse Aussagen über Details zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sind. Fest steht jedoch: alle drei haben sich für die Einführung von Mindesteffizienzstandards für die schlechtesten Bestandsgebäude ausgesprochen.
Sicher ist auch, dass keinesfalls ein Großteil des Gebäudebestandes kurzfristig unter die neuen Vorgaben fallen wird. Die Idee ist, schrittweise vorzugehen, mit Vorlaufzeiten Planungssicherheit und Orientierung zu geben und niemanden zu überfordern.
Die in der deutschen Medienberichterstattung genannten, zu erreichenden Energieeffizienzklassen von Bestandsgebäuden lassen sich nicht einfach auf die bestehende deutsche Effizienzklasseneinteilung übertragen, da sich diese Angaben auf den Vorschlag einer neuen, noch gar nicht eingeführten EU-Klassifizierung beziehen. Durch diese könnten z.B. in Deutschland Gebäude, die aktuell unter die Klasse E fallen, teilweise in die bessere Klasse D eingestuft werden. Ob die vorgeschlagene Reform der Energieausweise jedoch überhaupt in dieser Form kommt, ist noch völlig offen.
Die Mindestanforderungen werden aller Voraussicht nach moderat ausfallen und in keinem Fall eine Vollsanierung erfordern. Eigentümer der energetisch schlechtesten Gebäude müssen sich darauf einstellen, diese - je nach Ausgangszustand - um ein bis drei Effizienzklassen aufzuwerten.
Dazu reichen Teilsanierungen aus und es können oft ohnehin notwendige Anlässe genutzt werden (z.B. notwendiger Fassadenanstrich, Neueindeckung des Daches, altersbedingter Austausch der Fenster und Türen, etc.) oder Maßnahmen geringen Eingriffen umgesetzt werden (z.B. Einblasdämmung in Mauerwerk oder bei ungenutzten Dachböden).
Die energetische Gebäudesanierung ist teuer. Nicht energetisch zu sanieren wird aber individuell und gesamtgesellschaftlich noch teuer. In unsanierten Gebäuden fallen in den nächsten 20 Jahren enorme Kosten für Energie und für Instandhaltung an. Für ein unsaniertes Einfamilienhaus können allein die Heizkosten bis 2045 in Summe 100.000 EUR und mehr betragen. Mieter:innen zahlen in unsanierten Gebäuden aktuell monatlich etwa 2,50 EUR Heizkosten pro Quadratmeter zusätzlich zu ihrer Kaltmiete, in 20 Jahren bis zu 50.000 EUR für eine 80-Quadratmeter-Wohnung1.
Deshalb führen energetische Sanierungsmaßnahmen an solchen Gebäuden nachgewiesenermaßen zu deutlichen Heizkosteneinsparungen.
Die nötigen Investitionssummen für einzelne Gebäude sind sehr individuell und hängen unter anderem vom Ausgangszustand der Immobilie ab. Da zur Erfüllung von Mindestanforderungen grundsätzlich von Einzelmaßnahmen ausgegangen werden kann, sind in den meisten Fällen Investitionssummen von 30 bis einige hundert EUR pro Quadratmeter anzunehmen, denen entsprechende Energiekosteneinsparungen gegenüberstehen. Deswegen sollten diese Vorhaben grundsätzlich auch durch Banken finanzierbar sein. Sie dürfen jedoch nicht zu einer Überforderung der Betroffenen führen.
Zwei Dinge sind zu beachten: Erstens ist gerade bei energetisch unsanierten Gebäuden mit einem Instandhaltungsstau zu rechnen. Zu dessen Behebung fallen ohnehin in den nächsten 10-15 Jahren Kosten an. Werden diese Maßnahmen intelligent mit energetischen Verbesserungen kombiniert (z.B. Fassadenausbesserung oder -anstrich mit Dämmung), reduzieren sich die dafür notwendigen Zusatzinvestitionen spürbar, oft um 50 % oder mehr.
Zweitens können bestehende Förderprogramme der Bundesregierung und der Länder weiterhin genutzt werden, um den Investitionsbedarf abzufedern. Speziell für die energetisch schlechtesten Gebäude gibt es aktuell zusätzliche Förder-Boni in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Daneben wird aktuell eine soziale Ausrichtung der Förderprogramme diskutiert, um u.a. selbstnutzende Eigentümer:innen mit begrenzten finanziellen Mitteln stärker zu unterstützen. Eine bedarfsgerechte Aufstockung und verlässlichere Mittelausstattung der Förderprogramme ist hierfür notwendig.
Bei der Auswahl der Maßnahmen sollte idealerweise eine Energieberatung in Anspruch genommen werden, um Kosten und Nutzen individuell zu optimieren. Förderfähige Maßnahmen mit richtiger Beratung umzusetzen verhindert auch, sich Optionen oder spätere, weitere Sanierungsschritte in Richtung Klimaneutralität zu “verbauen”.
Da weder die europäischen Regeln noch ihre spätere deutsche Umsetzung feststehen, können hier nur Schätzungen beschrieben werden. In Deutschland stehen etwa 21 Mio. beheizte Gebäude. Von diesen fallen ca. 30 %, also etwa 6,3 Mio. Gebäude, in die beiden schlechtesten Effizienzklassen G und H. Durch ihre mangelnde Effizienz und den weit verbreiteten Einsatz fossiler Heizsysteme sind allein die Gebäude dieser beiden Effizienzklassen für die Hälfte aller Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors in Deutschland verantwortlich. Nimmt man noch die Effizienzklasse F hinzu, landet man bei insgesamt 45 % des Gebäudebestands.
Wie viele dieser Gebäude z.B. in den nächsten zehn Jahren mit geringfügigen Vorgaben rechnen müssen, lässt sich noch nicht sagen. Dazu könnten in den kommenden Monaten über Ausnahmeregelungen etwa für denkmalgeschützte Gebäude und Härtefallregelungen noch zahlreiche Sonderregelungen hinzukommen. Klar ist, dass keiner der auf dem EU-Verhandlungstisch liegenden Vorschläge Sanierungsmaßnahmen an mehr als 23 % des europäischen Gebäudebestands bis zum Jahr 2033 vorsieht. Dies entspräche einer notwendigen Sanierungsrate von ca. 2 % im Jahr. Diese Größenordnung war in den letzten 15 Jahren stets das erklärte Ziel aller Bundesregierungen.
Durch den aktuellen Abschwung der Neubaukonjunktur hat sich die Frage der Verfügbarkeit von Handwerkern und Material gegenüber dem letzten Jahr bereits deutlich entspannt. Bereits jetzt droht bei vielen Unternehmen im Baugewerbe sogar ein Personalabbau wegen fehlender Auslastung. Gleichzeitig stimmt aber auch: Um die Anzahl der Sanierungen in Deutschland mittelfristig deutlich zu steigern, müssen zusätzliche Kapazitäten aufgebaut werden. Dafür brauchen Industrie und Handwerk jedoch klare Rahmenbedingungen, die bislang noch fehlen. Mit der EPBD sollen genau diese klaren Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Umsetzung reibungslos gelingt und Betriebe verlässlich in Ausbildung und Produktion investieren können. Angebot und Nachfrage mit einer klaren Perspektive ins Lot zu bringen, ist auch das beste Mittel gegen Preissprünge.
Klare Rahmenbedingungen in der EPBD helfen zusätzlich dabei, die Fachkräftekapazitäten zu den Gebäuden zu lenken, wo eine Sanierungs-Arbeitsstunde am meisten Energie einspart und gibt Gebäudeeigentümer:innen ein klares Signal, bei ohnehin geplanten Instandhaltungsmaßnahmen die Fachkräfte vor Ort gleich für energetische Verbesserungen mit zu nutzen. So kann auch das bereits vorhandene Fachkräftepotenzial zielführender eingesetzt und die Sanierungsrate weiter gesteigert werden.
Noch gar nicht, da die letztendlichen Anforderungen noch nicht feststehen. Aber wenn Sie ohnehin demnächst eine Instandhaltungsmaßnahme oder Sanierungsaktivität geplant haben: Binden sie am besten eine:n Energieberater:in ein, um gleich eine sinnvolle energetische Verbesserung mit anzustoßen. Ein großer Teil der Kosten ist dann ohnehin angefallen. Gleiches gilt, wenn Sie planen, eine ältere, unsanierte Immobilie zu kaufen. Wenn Sie dabei Maßnahmen umsetzen, die einen förderfähigen Standard haben, machen Sie jedenfalls nichts falsch und profitieren doppelt – Sie können Förderung erhalten und reduzieren das Risiko, Bauteile später erneut anfassen zu müssen. Bei Gebäuden der 1940er bis 1970er Jahre ist unabhängig von den konkreten EU-Vorgaben stark davon auszugehen, dass diese in unsaniertem Zustand nicht mit den Klimazielen vereinbar sind und daher vor 2045 ertüchtigt werden müssten.