Regulierung von Green Claims ermöglicht nachhaltigeren Konsum
Beim Einkaufen werden Verbraucher:innen immer häufiger mit umweltbezogenen Versprechen konfrontiert: „recycelbare Verpackung“, „bienenfreundlich produziert“, „klimaneutral hergestellt“ oder „aus verantwortungsvollen Quellen“ sind nur einige der unzähligen Aussagen, die eine wachsende Anzahl von Lebensmitteln, Elektrogeräten, Textilprodukten, aber auch Dienstleistungen schmücken. Diese Green Claims werden dabei sowohl in Form von eindeutig werbewirksamen Versprechen angebracht, als auch zunehmend in Form von Siegeln.
Für Verbraucher:innen ist dabei nicht erkennbar, was hinter den Claims steckt: Kommuniziert ein Unternehmen hier tatsächliches Engagement für eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Produktionsweise? Oder macht es sich lediglich zunutze, dass Werbeaussagen mit Nachhaltigkeitsbezug bislang zu wenig reguliert sind und – anders als beispielsweise bei gesundheitsbezogenen Werbeaussagen – nicht vorab ein Nachweis für den Wahrheitsgehalt der Aussage erbracht werden muss?
Der vzbv begrüßt, dass auf europäischer Ebene eine schärfere Regulierung von Werbung mit Umwelteigenschaften von Produkten und Nachhaltigkeitssiegeln beschlossen wurde. Aus Sicht des vzbv ist das ein erster Schritt, es fehlen aber noch Anforderungen, wie die Aussagen von Nachhaltigkeitssiegeln untermauert werden können. Hier muss der europäische Gesetzgeber ein System zur Nachweiserbringung festlegen. Analog dazu muss dieser sich um die Regulierung von sozialbezogenen Werbeaussagen bemühen, um alle Aspekte der nachhaltigen Werbung abzudecken.
Der vzbv fordert
verbindliche, gesetzlich festgelegte Kriterien zur Untermauerung umweltbezogener Werbung
eine Regulierung der Bedingungen, unter denen mit Green Claims geworben werden darf
ein vollständiges Verbot der Werbung mit „Klimaneutralität“ auch auf Ebene von Unternehmen
die Pflicht zur Verifizierung von umweltbezogener Werbung und Siegeln durch unabhängige Dritte.
Quelle: Gert Baumbach - vzbv
Jochen Geilenkirchen
Referent Nachhaltiger Konsum
Eine Konsumlandschaft, in der nahezu alle Produkte mit Umwelteigenschaften beworben werden, macht es Verbraucher:innen unmöglich, nachhaltige von nicht nachhaltigen Produkten zu unterscheiden.
„Bienenfreundlich produziert“, „recylclebar“ oder „klimaneutral“: Viele Hersteller bewerben ihre Produkte und Dienstleistungen als besonders umwelt- oder klimafreundlich. Stellen Unternehmen diese Umwelteigenschaften positiver dar, als sie es eigentlich sind, ist das Greenwashing. Eine Untersuchung der Europäischen Kommission hat gezeigt, dass etwa 50 Prozent der umweltbezogenen Werbeaussagen auf dem europäischen Markt vage oder irreführend sind.
Greenwashing kann sich auf die Herstellung eines Produktes, seine Nutzung, Entsorgung, Verpackung, oder auf das gesamte Unternehmen beziehen.
Besonders dreist ist Greenwashing, wenn eine umweltbezogene Werbeaussage nachweislich falsch ist. Beispielsweise wenn Unternehmen Bambusbecher als „biologisch abbaubar“ bewerben, obwohl dies nicht zutrifft.
Greenwashing ist auch, wenn Unternehmen mit der Erfüllung gesetzlicher Regelungen werben, z.B. „ohne Bisphenol A“ auf Babyflaschen oder „frei von FCKW“.
Eine subtilere Form von Greenwashing ist es, einen einzelnen positiven Aspekt eines schädlichen Produkts herauszupicken und so das ganze Produkt umweltfreundlicher erscheinen zu lassen. Beispielsweise, wenn Fisch aus Aquakulturen als umweltfreundlich gelabelt wird, weil er eine Überfischung der Meere verhindert. Das stimmt zwar, aber: Das Unternehmen erwähnt dabei nicht, dass für Aquakulturen oftmals Mangrovenwälder zerstört werden. Somit ist der Fisch nur auf eine andere Art umweltschädlich ist.
Verbraucher:innen stellt Greenwashing vor ein Problem: Möchten sie nachhaltig konsumieren, sind sie auf die Informationen der Hersteller angewiesen. Diese Informationen bieten jedoch keine Orientierung, wenn unklar ist, wie verlässlich sie sind. Eine Untersuchung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hat gezeigt: Verbraucher:innen schätzen die Verlässlichkeit von Werbeaussagen und Siegeln auf Lebensmitteln oft falsch ein.
Eine Konsumlandschaft, in der nahezu alle Produkte mit Umwelteigenschaften beworben werden, macht es Verbraucher:innen unmöglich, nachhaltige von nicht-nachhaltigen Produkten zu unterscheiden. Das schadet nicht nur Verbraucher:innen, sondern auch der Umwelt: Wenn die Umwelteigenschaften von Produkten nicht unterscheidbar sind, ändern sich schädliche Konsummuster nicht, sondern setzen sich fort.
Hinzu kommt: Unternehmen, die tatsächlich etwas für die Umwelt tun, haben keine Möglichkeit, ihre Umweltleistungen glaubwürdig zu vermarkten. Greenwashing schadet so auch engagierten Unternehmen.
Klimaneutralität ist ein wichtiges klimapolitisches Ziel. Unternehmen verwenden den Begriff häufig als Werbe-Claim. Verbraucher:innen wird „klimaneutrales Haarshampoo“, „klimapositive Pasta“ oder gar „CO2-neutrales Heizöl“ angeboten.
Die Werbung für vermeintlich „klimaneutrale“ Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen ist aus Sicht des vzbv hochproblematisch. Die angebliche Klimaneutralität der Produkte beruht auf Kompensationsmaßnahmen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist zweifelhaft. Der Begriff „klimaneutral“ erweckt bei vielen Verbraucher:innen Eindruck, das beworbene Produkt habe keine schädlichen Auswirkungen auf das Klima. Das ist aber bislang nicht möglich. Werbung mit „Klimaneutralität“ ist damit klassisches Greenwashing.
Einige Formen von Greenwashing können schon jetzt juristisch unterbunden werden: die EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken (Unfair Commercial Practices Directive; UCPD) ermöglicht Klagen gegen „irreführende“ Aussagen.
Das Problem an einer nachträglichen Kontrolle durch Gerichte ist, dass die Werbeaussagen zunächst über Monate im Handel verwendet werden, bevor Produzenten sie zurückziehen müssen. So lässt sich Greenwashing nicht verhindern. Es braucht klare Vorgaben, wie Hersteller grüne Werbeaussagen belegen müssen, bevor sie ihr Produkt auf den Markt bringen.
Eine Anfang 2024 abgeschlossene Überarbeitung der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken (UCPD) verpflichtet Unternehmen zukünftig, umweltbezogene Werbeaussagen belegen zu können. Das ist ein wichtiger Meilenstein, reicht aber noch nicht aus. Damit Hersteller die Bestimmungen aus der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken umsetzen können, müssen weitergehende Vorgaben geschaffen werden, wie Hersteller die Umweltaussagen belegen müssen.
Diese Lücke soll die „Green Claims Richtlinie“ schließen. Die Richtlinie soll einheitliche Vorgaben dafür machen, wie Umweltaussagen zu belegen sind und ein System der Vorab-Verifizierung („ex ante“) einführen. Diese Vorab-Verifizierung würde Unternehmen verpflichten, Umweltaussagen prüfen zu lassen, bevor sie auf dem Markt verwendet werden.
Die Europäische Kommission hat den Vorschlag für die „Green Claims Richtlinie“ im März 2023 vorgelegt. Europäisches Parlament, Europäischer Rat und Kommission beraten sich nun zu dem Entwurf. Aus Sicht des vzbv muss die Richtlinie zügig verabschiedet werden. Wenn eine Einigung zeitnah kommt, könnten die Regeln voraussichtlich ab Ende 2026 im deutschen Handel gelten.
Für Verbraucher:innen ist es bereits jetzt kaum möglich, umweltfreundliche Produkte zu erkennen. Eine Orientierung ist nur möglich, wenn die vielen irreführenden Claims vom Markt verschwinden. Nur so können Verbraucher:innen, eine nachhaltige Alternative überhaupt erkennen.
Schweigen über echte Nachhaltigkeitsbestrebungen der Produzenten ist durch die Green-Claims-Richtlinie nicht zu erwarten. Sie könnte stattdessen zu mehr Ehrlichkeit führen. Das schafft sowohl Vorteile für Verbraucher:innen, als auch für diejenigen Unternehmen, die tatsächlich einen Beitrag zur nachhaltigeren Produktion leisten.
Für Verbraucher:innen ist es kaum möglich, Greenwashing zu erkennen. Sie müssen sich beim Einkauf auf die Informationen der Hersteller verlassen. Diese sind meist nicht ausreichend, um zu bewerten, ob ein Claim wahr ist oder nicht. Die Verantwortung darf nicht auf Verbraucher:innen abgewälzt werden.
Kennzeichnung und Werbung müssen verlässliche Informationen bieten. Wenn nur solche Produkte als umweltfreundlich beworben werden dürfen, bei denen eine besondere Umweltleistung nachweisbar ist, können Verbraucher:innen nachhaltiger einkaufen.
Neben seiner politischen Arbeit geht der vzbv auch juristisch gegen irreführende Werbung vor. Die Rechtsdurchsetzung des vzbv nutzt die schon bestehenden juristischen Möglichkeiten. Der vzbv mahnt regelmäßig Unternehmen ab, die versuchen, ihre Produkte grüner erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.
Die fehlende Regulierung nachhaltigkeits- und umweltbezogener Werbeaussagen öffnet Greenwashing Tür und Tor. Der vzbv fordert deshalb strengere Regeln für umweltbezogene Werbung.
Grüne Marketingclaims auf Lebensmitteln / Green advertising claims on food products | Studie im Auftrag des vzbv | Februar 2023
Verbraucherstudie zum Verständnis von umwelt- und klimabezogenen Werbeaussagen | Ergebnisbericht | Studie im Auftrag des Projekts Lebensmittelklarheit | Februar 2023
Klimaneutral produziert, bienenfreundlich hergestellt, schützt die Ozeane: Umweltbezogene Werbeaussagen finden sich immer häufiger auf Verpackungen. Heute hat der Rat der Europäischen Union (EU) sich politisch zur Green Claims Directive (GCD) positioniert. Ziel der Richtlinie ist es, Greenwashing zu verhindern. Künftig soll es Vorgaben geben, wie und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen umweltbezogene Werbeaussagen (Green Claims) verwenden dürfen.
Klimaneutral produziert, recycelbare Verpackung: Beim Einkaufen werden Verbraucher:innen immer häufiger mit umweltbezogenen Werbeversprechen konfrontiert. Wann und wie solche Green Claims verwendet werden dürfen, soll künftig die Green Claims Directive regeln. Am 12. März stimmt das Europäische Parlament über den Vorschlag der Europäischen Kommission ab. Dazu vzbv-Vorständin Ramona Pop.
Das Europäische Parlament hat eine schärfere Regulierung von Werbung mit Umwelteigenschaften und anderen Aussagen zur Nachhaltigkeit von Produkten beschlossen. Die Regelungen sind Teil des europäischen Green Deals. Sie sollen Verbraucher:innen vor Greenwashing schützen und umweltfreundliche Kaufentscheidungen erleichtern. Trotz einiger guter Regelungen war der Vorschlag der Europäischen Kommission aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) von Anfang an nicht ambitioniert genug.
Mit den Deutschen Aktionstagen Nachhaltigkeit hat sich der Rat für Nachhaltige Entwicklung zum Ziel gesetzt, nachhaltiges Engagement sichtbar zu machen. In diesem Jahr beteiligen sich die Verbraucherzentralen an der Aktion: Vom 18. September bis 8. Oktober präsentieren die Verbraucherzentralen unter dem Motto #NeuDenkenStattNeuKaufen Wissenswertes rund um das Thema Nachhaltigkeit, auf Social Media und einer eigenen Webseite.
Wer nachhaltig einkaufen will, hat es schwer: Für Verbraucher:innen ist meist völlig unklar, ob die zahlreichen umweltbezogenen Werbeaussagen faktisch korrekt sind oder bloß Greenwashing darstellen. Die Europäische Kommission hat im März dieses Jahres einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der Greenwashing verhindern soll. Der Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßt die vorgesehene Vorabkontrolle für Green Claims, sieht aber auch Nachbesserungsbedarf in der Richtlinie.
Zur Pressemeldung
Dokumente (4)
Tabellenband zur Forsa-Umfrage im Auftrag des vzbv | August 2023
No claims without proof | Opinion of the Federation of German Consumer Organisations | July 2023
Opinion of the Federation of German Consumer Organisations on the proposal for a directive of the European Parliament and the Council on substantiation and communication of explicit environmental claims | July 2023
Aktualisierte Stellungnahme des vzbv zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher:innen für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen (COM(2022) 143 final) | August 2022
Galeria Kaufhof darf nicht mehr mit „besonders umweltfreundlich und/oder sozialverträglich hergestellt“ bei Produkten werben, wenn dies nicht erläutert wird. Das hat das Landgericht Köln nach einer Klage des vzbv entschieden. Der vzbv fordert branchenweit gesetzliche Mindestanforderungen für eine sozial und ökologisch verantwortungsvolle Produktion.
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Videos & Grafiken (2)
Quelle: vzbv
Überprüfbarkeit von Werbeaussagen
Die Mehrheit der Befragten verlässt sich darauf, dass die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsschutzmaßnahmen bei Herstellungsprozessen überprüft wird
Insbesondere jüngere Menschen verlassen sich nach eigenen Angaben tendenziell auf die Überprüfung von Werbeaussagen bzgl. Menschenrechte und Arbeitsschutzmaßnahmen
Zertifizierung spielt für nachhaltigen Konsum eine wichtige Rolle: Verbraucher:innen begegnet sie beim Einkauf in Form von Siegeln wie dem Grünen Knopf und dem Fairtrade-Siegel. Dabei bleibt für viele undurchsichtig, wie verlässlich unterschiedliche Zertifizierungen sind und ob dadurch wirklich nachhaltige Produktion sichergestellt wird. Daher setzt sich der vzbv für strenge Regeln ein.
Wer nachhaltig konsumieren möchte, hat es schwer: es mangelt an nachhaltigen Produkten, Transparenz und Informationen. Siegel, die eigentlich Orientierung bieten sollen, sind oft keine verlässlichen Ratgeber.
Viele Produkte, insbesondere elektrische Geräte, halten nicht mehr so lange wie früher. Ein Ärgernis für Verbraucher:innen. Die EU-Ökodesign-Regulierung ist ein wichtiges politisches Instrument um Produkte verbraucher- und umweltfreundlicher zu machen.
Ein Lieferkettengesetz kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Kinderarbeit, Lohndumping und Umweltzerstörungen in Produktionsprozessen zu verhindern. Nur so ist es Verbraucher:innen möglich, nachhaltig zu konsumieren.
Nachhaltigkeitsversprechen sind mittlerweile in vielen Bereichen des Konsumalltags anzutreffen. Auch bei der Geldanlage versprechen Fondsanbieter, Versicherer und Vertriebe immer öfter ökologisch, sozial oder ethisch nachhaltige Ansätze. Jedoch ohne verlässliche Belege dafür vorzulegen.
Viele Verbraucher:innen möchten sich nachhaltig ernähren und wünschen sich Lebensmittel, die unter Einhaltung hoher Tierschutz-, Umweltschutz- und Arbeitsschutzstandards zu fairen Preisen produziert werden. Die aktuelle Praxis von Produktion, Verarbeitung und Lebensmittelhandel ist jedoch häufig mit negativen Folgen für Umwelt, Tierschutz und Gesundheit sowie mit teils inakzeptablen Arbeitsbedingungen verbunden.
Nur 22 Prozent der Geräte, die kaputtgehen, werden derzeit repariert – und das, obwohl Verbraucher:innen reparieren (lassen) wollen. Eine gezielte Produktpolitik sollte daher die Weichen auf Reparatur stellen. Zugleich muss eine Reparatur für Verbraucher:innen auch ökonomisch sinnvoll sein. Dabei müssen auch die Hersteller an den Kosten für Reparaturen beteiligt werden: Denn sie haben maßgeblich Einfluss auf die Preisgestaltung.