- Unternehmen vertrieb kostenpflichtige Mitgliedschaften, die Anspruch auf Leistungen aus einer als Gruppenversicherung abgeschlossenen Reisekranken- und Rücktransportversicherung boten.
- Weder der Anbieter noch die mit der Haustürwerbung beauftragte Werbefirma verfügten über eine Zulassung als Versicherungsvermittler.
- Bundesgerichtshof: Geschäftsmodell ist ohne Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung unzulässig.
Bietet ein Unternehmen kostenpflichtige Mitgliedschaften mit dem Anspruch auf Leistungen aus einer Gruppenversicherung an, benötigt es als Versicherungsvermittler eine Genehmigung durch die Industrie- und Handelskammer. Das hat der Bundesgerichtshof nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die TC Medical Air Ambulance Agency GmbH entschieden. Das Gericht untersagte dem Unternehmen, ohne die nötige Zulassung den Beitritt in eine Versichertengemeinschaft anzubieten.
„Die Entscheidung verhindert, dass Unternehmen die für den Vertrieb von Versicherungen geltenden Verbraucherschutzvorschriften durch den Abschluss von Gruppenversicherungsverträgen umgehen können“, sagt David Bode, Rechtsreferent beim vzbv. „Wer eine Mitgliedschaft bei der TC Medical Air Ambulance Agency GmbH unterzeichnet hat, kann nach Auffassung des vzbv bereits gezahlte Beiträge zurückverlangen.“
Das beklagte Unternehmen hatte Werbefirmen damit beauftragt, Verbraucher:innen an der Haustür den Beitritt zu einer „Mitgliedergemeinschaft“ anzubieten. Gegen einen Jahresbeitrag von 108 Euro erwarben sie den Anspruch auf verschiedene Leistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland. Die Leistungen stammten zum großen Teil aus Gruppenversicherungsverträgen über eine Auslandsreisekranken- und eine Rücktransportversicherung, die das Unternehmen als Versicherungsnehmer mit der Würzburger Versicherungs-AG abgeschlossen hatte.
Nach Auffassung des vzbv handelt es bei dem Geschäftsmodell um die Vermittlung von Versicherungen, für die eine Genehmigung durch die Industrie- und Handelskammer (IHK) erforderlich ist. Um sie zu erhalten, müssen Vermittler:innen unter anderem eine Prüfung ablegen und eine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen. Die Genehmigungspflicht beruht auf einer EU-Richtlinie, die Verbraucher:innen vor Fehlberatungen schützen soll.
Über eine solche Genehmigung verfügten aber weder die TC Medical Air Ambulance Agency noch die von ihr beauftragten Werbefirmen. Der vzbv verklagte das Unternehmen deshalb wegen unlauteren Wettbewerbs. Für Verbraucher:innen mache es keinen Unterschied, ob sie den Versicherungsschutz über den Abschluss eines Versicherungsvertrags oder den Beitritt in eine Versichertengemeinschaft vermittelt bekommen. Für das Geschäftsmodell mit der Gruppenversicherung dürften deshalb keine geringeren Anforderungen als für klassische Versicherungsvermittler gelten. Die IHK Koblenz, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und das Oberlandesgericht Koblenz hatten die Tätigkeit des Unternehmens dagegen als nicht genehmigungspflichtig eingestuft.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt die Rechtsauffassung des vzbv in letzter Instanz bestätigt. Das Gericht stellte fest: Beim Vertrieb von Mitgliedschaften in der Gruppenversicherung ist das Unternehmen als Versicherungsvermittler tätig geworden. Das durfte es ohne die erforderliche Erlaubnis nicht tun. Die Einordnung als Vermittler ergebe sich aus dem Kontext und den Zielen der EU-Richtlinie. Demnach soll allen Verbraucher:innen trotz der unterschiedlichen Vertriebskanäle für Versicherungen das gleiche Schutzniveau zugutekommen. Außerdem sollen für alle Versicherungsvermittler und -vertreiber die gleichen Wettbewerbsbedingungen gelten.
Die Tätigkeit der Beklagten sei vergleichbar mit der Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers, die auf den Abschluss von Versicherungsverträgen mit einem Versicherer gerichtet ist. Sie habe durch die Vergütung ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden für den Beitritt in die Gruppenversicherung zu gewinnen. Für die Einstufung als Versicherungsvermittler sei es unerheblich, dass das Unternehmen nicht vom Versicherer, sondern von den Mitgliedern vergütet werde. Dass die Beklagte selbst als Versicherungsnehmerin Partei des Gruppenversicherungsvertrags ist und ihre Leistungen über die der Gruppenversicherung hinausgehen, spiele ebenfalls keine Rolle.
Das Gericht folgte mit seinem Urteil einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Az. C-633/20), welches zuvor zur Auslegung der EU-Richtlinie eingeschaltet wurde. Der vzbv sieht in dem Urteil eine wichtige Grundsatzentscheidung.
Datum der Urteilsverkündung: 24.02.2023
Aktenzeichen: Az. I ZR 8/19
Gericht: Bundesgerichtshof