- vzbv fordert, den aktiven Vertrieb von Produkten des Grauen Kapitalmarkts an Verbraucher:innen zu verbieten.
- vzbv-Finanzexpertin Dorothea Mohn: „Skandale haben am Grauen Kapitalmarkt System“.
- vzbv-Gutachten zeigt gezielte Verlagerung von Insolvenzrisiken auf Verbraucher:innen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert den Vertrieb von Anlagen des sogenannten Grauen Kapitalmarkts schon lange. Diese sind im Vergleich zu anderen Anlageformen wie offenen Investmentfonds kaum reguliert und bergen für Verbraucher:innen deutlich erhöhte Risiken. Mehrere Unternehmenspleiten haben in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Ein Gutachten im Auftrag des vzbv belegt nun, dass die Missstände System haben. Der vzbv fordert die Bundesregierung auf, den aktiven Vertrieb von Graumarktanlagen endlich zu verbieten.
„Verbraucherinnen und Verbraucher haben in der Vergangenheit viel Geld mit schlechten Anlagen des Grauen Kapitalmarkts verloren. Wir sehen deutlich, dass das nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Damit muss Schluss sein. Die Politik muss den Verkauf von unregulierten und damit risikoreichen Anlagen verbieten“, so Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt beim vzbv.
Ein Gutachten im Auftrag des vzbv bietet einen Überblick über aktuelle Anlagen des Grauen Kapitalmarkts. Untersucht wurden die zehn größten Anbieter von Vermögensanlagen im Zeitraum von 2015 bis 2020: deren finanzielle Situation, deren Veröffentlichungspolitik sowie deren Transparenz gegenüber Anleger:innen. Dabei wird deutlich, dass viele bekannte Probleme grundlegender Natur sind. Dies reicht von fehlenden Kontroll-, Informations- und Mitspracherechten, die Verbraucher:innen als nachrangige Schuldner:innen oft nicht haben, bis zu bilanziellen Tricks. Für Verbraucher:innen besonders kritisch: Sie erwerben meist kein Eigentum an den versprochenen Sachwerten, wie Immobilien oder Frachtcontainern, sondern leihen Zweckgesellschaften Geld, das wiederum an andere Firmen weitergereicht wird.
Ein weiteres Problem ist das bedenkliche Chance-Risiko-Verhältnis für Verbraucher:innen. Für sie steht auf der einen Seite eine Rendite, die unabhängig vom Geschäftserfolg auf den Darlehenszins beschränkt ist. Demgegenüber stehen hohe Risiken, die im Insolvenzfall bis zum Totalverlust reichen. Denn das Eigenkapital der Unternehmen ist häufig verschwindend gering. „Die begrenzten Chancen der Anleger:innen stehen häufig in keinem Verhältnis zu den bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals reichenden Risiken. Professionelle Investor:innen würden eine derartige Konstellation zahlreicher Vermögensanlagen nicht akzeptieren“ heißt es dazu im Gutachten.
Bisher hat die Politik stets mit Gesetzesverschärfungen reagiert, die auf die Folgen der einzelnen Pleiten am Grauen Kapitalmarkt zugeschnitten waren. „Falls es noch irgendwo Zweifel gab, sollten diese jetzt ausgeräumt sein: Skandale haben am Grauen Kapitalmarkt System. Deswegen muss Schluss sein mit dem gesetzgeberischen Kleinklein“, so Mohn.
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht zwar eine stärkere Regulierung vor, bleibt aus Sicht des vzbv allerdings zu vage. Um künftige Schäden, die Milliarden betragen können, zu vermeiden, muss der aktive Vertrieb von Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts verboten werden.
Damit bereits geschädigte Verbraucher:innen ihre Rechte geltend machen können, muss gleichzeitig das Haftungsprinzip gestärkt werden. Aus Sicht des vzbv darf die Prospekthaftung nicht länger auf leere Unternehmenshüllen abgewälzt werden. Dazu sollten Falschberatungen am Grauen Kapitalmarkt frühestens nach 20 Jahren verjähren dürfen.
Fragen & Antworten zum Gutachten
Ja, Direktinvestments sind erst 2016 unter bestimmten Voraussetzungen und im Jahr 2017 vollständig unter das Vermögensanlagengesetz gefallen und damit prospektpflichtig geworden. Bis dahin waren sie Teil des unregulierten Grauen Kapitalmarkts. Für die Auswahl der zu untersuchenden Anbieter wurde der gesetzliche Rahmen für eine Prospektpflicht im Jahr 2021 herangezogen. Dieses Vorgehen hat methodische Gründe: Zunächst sind für alle betrachteten Anlagen gleichbleibende Untersuchungszeiträume gewährleistet. Darüber hinaus ist aus Sicht von Verbraucher:innen entscheidend, welche Anlagen tatsächlich am Markt angeboten wurden. Für die weitere Untersuchung systemischer Defizite hat die Definition der quantitativen Marktauswahl keine Konsequenzen, da die einzelnen Vermögensanlagen jeweils nur anhand der tatsächlich für sie geltenden Regelungen untersucht wurden. Ein anderes Vorgehen ist schon durch den Wechsel der Rechtsformen und der damit verbundenen gesetzlichen Regelungen durch Anbieter gar nicht durchführbar. Im Ergebnis steht, dass keiner der betrachteten Rechtsrahmen einen ausreichenden Schutz für Verbraucher:innen bietet.
In Leistungsbilanzen zeigen Anbieter die Entwicklung der von ihnen aufgelegten Anlagen in der Vergangenheit. Für Anlagen des Grauen Kapitalmarkts sind Leistungsbilanzen freiwillig. Das Gutachten zeigt, dass einige Anbieter in der Vergangenheit positive Leistungsbilanzen gehabt und regelmäßig veröffentlicht haben. Gleichzeitig fällt aber auf, dass Anbieter mit zunehmenden Planabweichungen ihre Darstellung nur noch auf bestimmte Produkte eingrenzen, die Inhalte ausdünnen oder gleich ganz aufgeben. Darüber hinaus sagt auch eine positive Leistungsbilanz nichts über das enthaltene Anlagerisiko und das Chancen-Risiko-Verhältnis einer Anlage aus. Genau dieses Verhältnis ist für eine informierte Anlageentscheidung aber relevant. Anlagen des Grauen Kapitalmarkts sind auch gerade deswegen problematisch, da sie nicht an regulierten und liquiden Handelsplätzen gehandelt werden und damit ein Rückschluss von der in Aussicht gestellten Rendite, wie etwa einer Verzinsung, auf das tatsächliche Anlagerisiko nicht möglich ist.
Verbraucher:innen, die Vermögensanlagen zeichnen, leihen einer Anlagegesellschaft meist nachrangiges Fremdkapital und erhalten dafür eine Verzinsung. Da das Eigenkapital der Initiatoren häufig verschwindend gering ist (teilweise unter 0,1 Prozent des Gesamtvolumens), schlägt ein Verlust direkt auf das Anlagekapital durch. Im Falle einer Insolvenz stehen Verbraucher:innen in der Gläubigerreihenfolge hinter allen anderen Fremdkapitalgebern, so dass sie den Hauptteil der Insolvenzrisiken tragen. Diese Problematik liegt schon darin begründet, dass Finanzkonstrukte genutzt werden, bei denen Verbraucher:innen eine Anlagegesellschaft finanzieren. Entgegen der meist vorherrschenden Darstellung erwerben Verbraucher:innen dabei kein Eigentum an Vermögenswerten. Noch problematischer wird es, wenn die Anlagegesellschaft selbst keine Vermögenswerte kauft, sondern das Anlagekapital in Form von Nachrangdarlehen weiterreicht.
Ein Verbot des aktiven Vertriebs ist mit einem Vertriebsverbot in der Öffentlichkeit gleichzusetzen. Vermögensanlagen dürfen dann nicht mehr öffentlich angeboten werden. Die Forderung orientiert sich an dem 2011 im Rahmen des Investmentgesetzes (InvG) in Kraft getretenen Verbots des Vertriebs von Single-Hedgefonds (§ 112 Absatz 2 InvG). Hier hieß es: „Sondervermögen nach Absatz 1 [Single-Hedgefonds] dürfen nicht öffentlich vertrieben werden“. Die Regelung ist 2013 im neu geschaffenen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) aufgegangen. Single-Hedgefonds sind seitdem offene Spezial-AIFs und dürfen weiterhin nur an (semi-) professionelle Anleger vertrieben werden. Der vzbv fordert ein äquivalentes Vertriebsverbot für Anlagen des Grauen Kapitalmarkts, da diese wie Hedgefonds mit hohen und kaum zu erfassenden Risiken belegt sind.
Schwarmfinanzierungen oder so genannte Crowdinvestments sind zunächst kein Finanzierungsinstrument, sondern ein möglicher Weg für den Vertrieb von Finanzanlagen. Dabei werden in der Praxis meist Vermögensanlagen genutzt, deren Angebot in Folge einer Ausnahmeregelung unter bestimmten Bedingungen prospektfrei erfolgen kann. Dementsprechend waren Crowdinvestments nicht Teil der Untersuchung (siehe erste Frage des FAQ). Mit Blick auf diese Prospektausnahmen hat der vzbv bereits in der Vergangenheit zu einer kritischen Überprüfung geraten. Ein Verbot des aktiven Vertriebs würde auch Crowdinvestments betreffen, soweit diese Vermögensanlagen nutzen.
Anteile an Genossenschaften sind formal Vermögensanlagen, bisher aber von den meisten gesetzlichen Regelungen des Vermögensanlagengesetzes ausgenommen, wenn beim Vertrieb keine Provisionen gezahlt werden. Aus Sicht des vzbv sollte eine solche Ausnahmeregelung für Genossenschaften auch mit Blick auf ein Vertriebsverbot erhalten bleiben. Unabhängig davon muss gewährleistet sein, dass bei Genossenschaften immer ein klar erkennbarer genossenschaftlicher Zweck vorliegt. Auf Nachbesserungsbedarf auf Ebene der genossenschaftlichen Prüfverbände hat der vzbv bereits in der Vergangenheit hingewiesen.
Windenergiebetreiber, die sich als Genossenschaft organisieren, sind bereits heute von den meisten Regelungen des Vermögensanlagegesetzes ausgenommen. Dies sollte auch nach einem Verbot des aktiven Vertriebs so bleiben (siehe vorherige Frage). Windenergiebetreiber, die sich als GmbH & Co KG organisieren, und sich über Vermögensanlagen finanzieren, dürfen wie andere Emittenten auch, seit 2021 keinen Vertrieb mehr in Eigenregie durchführen. Ein Verbot des aktiven Vertriebs wie vom vzbv gefordert würde darüber hinaus auch jedes andere Angebot von Vermögenanlagen unterbinden. Windenenergiebetreiber hätten dann die Möglichkeit, entweder andere Rechtsformen oder andere Finanzierungsinstrumente zu nutzen. Sollte der Gesetzgeber diese oder andere Projekte gezielt fördern wollen, spricht sich der vzbv dafür aus, dies ohne Rückgriff auf untaugliche Finanzierungsinstrumente wie etwa Nachrangdarlehen zu tun.