Frau Salzmann, Deutschland hat schon länger ein Elektroschrottproblem. Ab 2022 gelten neue Regeln für ausgemusterte Elektrogeräte. Was genau ändert sich für Verbraucherinnen und Verbraucher?
Kommunen und Händler sind seit 2019 EU-weit angewiesen, 65 Prozent der elektronischen Altgeräte einzusammeln. Aktuell kommen wir in Deutschland nur auf eine Rücknahmequote von 43,3 Prozent. Das ist zu wenig. Denn alles, was nicht eingesammelt wird, kann auch nicht recycelt werden.
Daher soll die Rückgabe alter Geräte einfacher gestaltet werden. Ab Juli 2022 können dann kleine Geräte wie Rasierer, Mobiltelefone oder Stabmixer auch bei Lebensmittel-Einzelhändlern und bei Discountern kostenlos abgeben werden. Das gilt für Geräte mit einer Kantenlänge von bis zu 25 Zentimetern. Dabei spielt es keine Rolle, ob zeitgleich beim Händler auch ein neues Gerät gekauft wird oder nicht. Und es gilt selbst dann, wenn das Produkt woanders erstanden wurde. Voraussetzung allerdings: Die Verkaufsfläche der zur Rücknahme verpflichteten Geschäfte muss größer als 800 Quadratmeter sein.
Viele Geräte werden im Online-Handel gekauft. Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Geräte dann zurückgeben?
Auch für den Online-Handel gilt die Rücknahmepflicht bei jedem Kauf von neuen Elektrogeräten. Neu ist, dass jetzt auch kleine Online-Händler eine kostenlose Abholung und Entsorgung anbieten müssen. Zudem muss aktiv auf das Angebot zur Altgerätemitnahme hingewiesen werden. Altgeräte können zum Beispiel per Paket eingeschickt oder bei Anlieferung dem Lieferdienst mitgegeben werden. Alternativ können Online-Händler lokale Rücknahmestellen mit der Annahme ihrer Produkte beauftragen.
Wie bewertet der vzbv diese neuen Maßnahmen? Erwarten Sie, dass jetzt mehr Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Geräte ordnungsgemäß entsorgen?
Die Regelungen gehen in die richtige Richtung. Sie machen es Verbraucherinnen und Verbrauchern auf jeden Fall leichter, Altgeräte zu entsorgen.
Wenn die Berge an Elektroschrott schrumpfen sollen, muss aber mehr passieren. Denn nicht jedes Gerät, das Verbraucherinnen und Verbraucher aussortieren, müsste entsorgt werden. Stattdessen verstauben viele funktionsfähige Produkte in Kellern und Schubladen: In einer repräsentativen Verbraucherbefragung von forsa im Auftrag des vzbv gaben gut sieben von zehn Befragten (71 Prozent) an, dass sich in ihrem Haushalt mindestens ein ungenutztes oder kaputtes Handy, Tablet oder ein ungenutzter oder kaputter Laptop befindet – im Schnitt sind es 2,6 Geräte. Befragte zwischen 18 bis 29 Jahren horten sogar durchschnittlich 3,5 Geräte.
Damit tun sich Verbraucherinnen und Verbraucher keinen Gefallen. Denn gerade elektronische Geräte verlieren an Wert, je länger man sie herumliegen lässt. Besser wäre, ungenutzte Geräte zu verkaufen, zu verschenken oder zu spenden. Das kann sich für Verbraucherinnen und Verbraucher richtig lohnen. Und für die Umwelt wäre es allemal besser.
Warum horten Verbraucherinnen und Verbraucher alte Geräte anstatt etwas Sinnvolles damit zu tun?
In der Verbraucherbefragung wurden vorrangig drei Gründe genannt: Eine knappe Mehrheit (55 Prozent) behält die Geräte, um sie später noch einmal nutzen zu können. 41 Prozent vergessen das Produkt nach dem Wegräumen – getreu dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“. 40 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher mit mindestens einem ungenutzten oder kaputten Gerät im Haushalt machen sich Sorgen, dass bei digitalen Geräten auf gespeicherte Daten zurückgegriffen werden kann. Hier würde es helfen, wenn Hersteller dazu verpflichtet werden, dass ihre Geräte unkompliziert in den Werksmodus zurückzusetzen sind. Bei einigen Geräten geht das schon ganz gut.
Lediglich 14 Prozent gaben dagegen an, dass ihnen der Weg zur nächsten Entsorgungsstelle zu weit ist oder sie nicht wissen, wo sie Geräte abgeben können. Es reicht also nicht aus, nur zu informieren, was man wo entsorgen kann. Vielmehr müssen Verbraucherinnen und Verbraucher darüber aufgeklärt werden, warum es wichtig ist, ungenutzte Geräte einem neuen Verwendungszeck zuzuführen. Das ist auch Aufgabe der Regierung. Denn den Begriff Kreislaufwirtschaft hat zwar der ein oder andere schon gehört. Dass aber sie selbst als Verbraucherinnen und Verbraucher eine aktive Rolle spielen müssen, ist vielen noch nicht bewusst.
Warum ist eine Kreislaufwirtschaft so wichtig?
Ganz klar: Kreislaufwirtschaft ist Klimaschutz.
Bei einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft wird der Lebenszyklus der Produkte durch Reparatur und Recycling verlängert. Das schont Ressourcen und spart CO2. Denn bei der Herstellung elektronischer Geräte wird viel CO2 freigesetzt. Je länger man diese also nutzt, desto besser wird die Klimabilanz.
Und ohne Recycling gehen große Mengen wertvoller und knapper werdender Metalle unwiederbringlich verloren – wie etwa Gold, Platin und Kupfer. Gleichzeitig werden Schadstoffe nicht sicher entsorgt. In den Geräten können beispielsweise Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und Kadmium stecken, aber auch Flammschutzmittel und FCKW. Diese können Gesundheit und Umwelt gefährden.
Methode: Telefonische Befragung (CATI Adhoc – Dual Frame). Grundgesamtheit: Deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren. Stichprobengröße: 1.001 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: max. +/- 3 Prozentpunkte in der Gesamtstichprobe. Erhebungszeitraum: 22. November bis 3. Dezember 2021. Institut: forsa.