- Betreiber der Flirt- und Dating-Plattform „amourny“ setzte Mitarbeitende mit Fakeprofilen zum Chatten ein.
- Ein Kennlernen der sogenannten Controller war nicht möglich.
- LG Flensburg: Nicht gekennzeichnete Scheinprofile widersprechen dem Vertragszweck.
Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen eines Flirt- und Dating-Portals, nach der ein Betreiber Mitarbeitende mit erfundenen Nutzer-Profilen im Chat einsetzen darf, ist unzulässig. Das hat das Landgericht Flensburg nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die PD Enterprice UG entschieden, die das inzwischen eingestellte Portal „amourny“ betrieben hat. Das Gericht beanstandete außerdem die Werbung für das Portal als irreführend.
„Amourny bietet Menschen mit gleichen Interessen die Möglichkeit, sich näher kennenlernen“, warb das Unternehmen auf der Startseite des Portals, bei dem Kunden nach einer kostenlosen Probenutzung „Flirtchips“ kaufen mussten, um weiter teilzunehmen. Doch hinter den Profilen steckten nicht nur echte Personen. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ging hervor: Das Unternehmen setzte bezahlte Mitarbeiter:innen als „Controller“ ein, die unter erfundenen Profilen am Chat teilnahmen – ohne dass dies erkennbar war. Es war nicht einmal sicher, ob sich hinter einem Profil ein Mann oder eine Frau verbarg. Ein Kennenlernen oder gar der Aufbau einer Liebesbeziehung war praktisch ausgeschlossen.
Das Landgericht Flensburg schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass die Klausel unzulässig ist. Durch die Kommunikation mit Controller:innen könne der vom Unternehmen beworbene und von den Nutzern angestrebte Erfolg, einen anderen Menschen persönlich kennenzulernen, nicht erreicht werden. Professionelle Chatpartner hätten kein Interesse daran, ihre wahren Motive und ihre Persönlichkeit zu offenbaren. Mit der Anlage von Scheinprofilen solle ihre wahre Identität vor den Nutzern verborgen bleiben. Das mache ein Kennenlernen im Regelfall unmöglich. Dadurch sei der Vertragszweck gefährdet.
Der Richter beanstandete außerdem, dass die Nutzer:innen im Unklaren darüber gelassen wurden, ob sie es mit echten Chatpartnern oder mit einem Controller oder einer Controllerin zu tun haben. Sie könnten deshalb nicht erkennen, dass ein Chatpartner nur aus monetären Interessen an häufigen Chatkontakten interessiert sei und kein ideelles Interesse verfolge. Damit würden sie über das Interesse des anderen Teilnehmers am Chat getäuscht.
Darüber hinaus war die Werbung für das Portal nach Auffassung des Gerichts irreführend. Diese suggeriere, dass Gespräche mit anderen vermittelt werden, aus denen sich eine Bekanntschaft oder Partnerschaft entwickeln könne. Bei den professionellen Chatpartnern sei es aber grundsätzlich ausgeschlossen, dass sich aus dem Chat jenseits der geschäftlichen Beziehung ein persönlicher oder intimer Kontakt entwickeln könne, wie ihn die Werbung als möglich darstelle.
Der Hinweis auf die Controller in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen reiche nicht aus, um die Irreführung zu beseitigen. Verbraucher:innen müssten nicht damit rechnen, dass ihnen im Kleingedruckten Informationen über den Inhalt der angebotenen Leistung präsentiert werden, die im Widerspruch zu den zuvor geweckten Erwartungen stehen.
Update vom 23.08.2023: Die PD Enterprice UG hat nach einem Hinweisbeschluss des Schleswig-Holsteinisches OLG (6 U 72/22) vom 23.06.2023 ihre Berufung zurückgenommen. Damit ist das Urteil des LG Flensburg rechtskräftig.
Datum der Urteilsverkündung: 28.10.2022
Aktenzeichen: 8 O 29/22
Gericht: Landgericht Flensburg