- Verbraucher:innen fühlen sich in der digitalen Welt nicht gut geschützt
- Hauptgründe für Beschwerden: untergeschobene Verträge und Fakeshops
- Verbraucherschutz so wichtig wie nie: Für 92 Prozent der Verbraucher:innen ist Verbraucherschutz wichtig für ihre persönliche Sicherheit
Im digitalen Raum klaffen große Lücken beim Verbraucherschutz. Das zeigt der Verbraucherreport 2024 des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Knapp die Hälfte der Menschen (49 Prozent) fühlt sich im Bereich Digitales und Internet nicht ausreichend geschützt. Von Fakeshops und untergeschobenen Verträgen bis zur Regulierung künstlicher Intelligenz oder manipulativer Designs gibt es viele drängende Verbraucherthemen. Der vzbv fordert ein Update vieler Verbraucherrechte.
„Im digitalen Raum sind Verbraucher:innen besonders verwundbar. Das zeigt der aktuelle Verbraucherreport. Digitalthemen sind ein Dauerbrenner in den Verbraucherzentralen, die Zahl der Beschwerden wächst immer weiter. Fast die Hälfte der Menschen findet, dass ihre Interessen im Bereich Internet und Digitales nicht ausreichend geschützt sind. Solche Werte erfordern politisches Handeln“, sagt Ramona Pop, Vorständin des vzbv.
„Viele Verbraucherrechte stammen noch aus der analogen Zeit – sie brauchen dringend ein Update. Denn im digitalen Bereich sind Unternehmen im Vorteil: Sie haben die technischen Möglichkeiten, ihre Kund:innen genau zu analysieren und persönliche Schwächen auszunutzen. Digitale Angebote sollten von Anfang an so gestaltet sein, dass sie Verbraucher:innen nicht benachteiligen. Unternehmen sollten zu digitaler Fairness by Design and Default verpflichtet werden.“
Digitale Angebote machen den Verbraucheralltag an vielen Stellen bequemer. Doch insbesondere im digitalen Bereich spüren die Menschen Lücken im Verbraucherschutz. Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) gibt in einer repräsentativen forsa-Befragung für den aktuellen Verbraucherreport an, dass ihre Interessen im Bereich Internet und Digitalisierung eher nicht gut oder gar nicht gut geschützt sind. Bereits in den Vorjahren fühlten sich die Menschen in diesem Bereich am wenigsten geschützt.
Die Verbraucherzentralen bestätigen dieses Bild: Im Jahr 2023 wurden bundesweit über 92.000 Beschwerden im digitalen Bereich erfasst, womit ein Drittel (33 Prozent) aller Beschwerden auf diesen Bereich entfällt. Für besonders viele Probleme sorgen untergeschobene Verträge, wie ungewollte Verträge für Festnetz, Internet oder Mobilfunk. Viele Verbraucher:innen sehen hier eine Schutzlücke: Eine große Mehrheit der Befragten (95 Prozent) stimmt (voll und ganz oder eher) zu, dass Verbraucher:innen besser vor untergeschobenen Verträgen im Internet geschützt werden müssen. Ein schnell wachsendes Verbraucherärgernis sind Fakeshops. Im Jahr 2023 gingen knapp 7.000 Beschwerden dazu bei den Verbraucherzentralen ein – das sind 43 Prozent mehr als im Vorjahr*. Der Fakeshop-Finder der Verbraucherzentralen hilft, unseriöse Online-Shops zu erkennen.
Auch manipulativ gestaltete Webseiten sind für Nutzer:innen ein großes Problem. Online-Händler versuchen Verbraucher:innen zum Teil mit Tricks dazu zu bringen, mehr und schneller zu kaufen – etwa durch eine bestimmte Gestaltung ihrer Webseite oder Apps. Knapp acht von zehn Befragten (79 Prozent) finden, dass Webseiten nicht so gestaltet sein dürfen, dass dadurch Einfluss auf die Entscheidungen von Menschen genommen wird.
„Verbraucher:innen fühlen sich auf Online-Plattformen von einigen Designs manipuliert, verwirrt oder ausgetrickst. Dabei werden einfache menschliche Verhaltens- oder Wahrnehmungsmuster ausgenutzt“, sagt Ramona Pop. Farbig markierte Buttons klickt man schneller an und wenn es zu lange dauert, ein Nutzerkonto zu löschen, geben Verbraucher:innen mitunter entnervt auf. „Die geltenden Regeln reichen nicht aus. Manipulative Designs müssen umfassend verboten werden.“
„Von Bildbearbeitung bis zur Urlaubsplanung: Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, den Verbraucheralltag weiter zu vereinfachen. Es besteht aber auch das Risiko von Manipulation, Täuschung oder Diskriminierung. Gerade weil KI immer stärker den Alltag bestimmt, muss ihr Einsatz verbindlich und verbraucherfreundlich reguliert werden. Das wollen auch die Verbraucher:innen“, sagt Pop.
92 Prozent der Befragten stimmen (eher) zu, dass es klare Regeln für künstliche Intelligenz (KI) geben muss, damit Verbraucher:innen zum Beispiel vor Manipulation geschützt werden. 44 Prozent sind besorgt, dass sie selbst künftig bei Kaufentscheidungen oder Vertragsabschlüssen von KI manipuliert werden. In der Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen sind es sogar über die Hälfte (51 Prozent).
„Es gibt bereits europäische Regeln, die den Einsatz von KI regulieren. Die Bundesregierung muss jetzt die Spielräume für eine verbraucherfreundliche Umsetzung in Deutschland nutzen. Es braucht eine zentrale koordinierende Aufsicht. Bei Beschwerden zu KI-Anwendungen sollten sich Verbraucher:innen nur an eine Aufsichtsbehörde wenden müssen, die das gesamte Verfahren betreut“, sagt Pop.
Gut die Hälfte der Menschen (52 Prozent) hat nach eigener Aussage bereits Erfahrungen mit KI gemacht. Drei von zehn Befragten (30 Prozent) geben sogar an, Anwendungen wie ChatGPT regelmäßig zu nutzen. Vor allem jüngere Befragte (14- bis 29-Jährige) kennen sich aus: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) greift in dieser Gruppe regelmäßig auf KI-Anwendungen zurück. Die neue Technologie stößt aber auch auf Skepsis: Gut vier von zehn Befragten (41 Prozent) geben an, bewusst zu versuchen, keine KI-Anwendungen zu verwenden.
„Der Verbraucherreport 2024 zeigt: Verbraucherschutz ist für viele so wichtig wie nie“, sagt Ramona Pop. Für eine große Mehrheit der Befragten (92 Prozent) ist Verbraucherschutz wichtig für ihre persönliche Sicherheit. Für mehr als die Hälfte der Verbraucher:innen (54 Prozent) ist das Thema sogar sehr wichtig. Auch Jüngere messen Verbraucherschutz eine hohe Bedeutung bei: Für 95 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahren ist Verbraucherschutz eher oder sehr wichtig für die persönliche Sicherheit.
Wenn es um den Schutz ihrer Interessen geht, vertrauen Verbraucher:innen den Verbraucherorganisationen: 73 Prozent der Menschen geben an, Verbraucherorganisationen sehr stark (20 Prozent) bzw. eher stark (53 Prozent) zu vertrauen. Der Auftrag ist klar: Gut acht von zehn Verbraucher:innen (82 Prozent) sehen Verbraucherorganisationen in der Verantwortung, ihre Interessen zu schützen.
Doch auch die Politik muss ihrer Verantwortung für den Schutz der Verbraucherinteressen gerecht werden. Wie in den Vorjahren sieht ein Großteil der Befragten (84 Prozent) die Politik in der Verantwortung, ihre Interessen als Verbraucher:innen zu schützen. Gleichzeitig vertrauen lediglich 24 Prozent der Befragten der Politik sehr bzw. eher stark, wenn es um den Schutz ihrer Verbraucherinteressen geht. Diese Diskrepanz zwischen Vertrauen und Verantwortung ist seit Jahren nahezu unverändert.
Wie gut fühlen sich Verbraucher:innen in ihrem alltäglichen Leben geschützt? Welche Probleme und Sorgen treiben sie um? Antworten auf diese Fragen gibt der jährliche Verbraucherreport des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Verbraucherbefragung: Für den Verbraucherreport 2024 führte forsa im Auftrag des vzbv eine repräsentative Telefonbefragung mit 1.500 Personen durch (CATI Dual-Frame). Berücksichtigt wurden alle deutschsprachigen Menschen ab 14 Jahren in Privathaushalten in Deutschland. Erhebungszeitraum des aktuellen Verbraucherreports war der 11. bis 28. März 2024. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei ± 3 Prozentpunkten in der Gesamtstichprobe.
Beschwerdestatistik: Die Auswertungen der Beschwerdestatistik basieren auf der Vorgangserfassung aller 16 Verbraucherzentralen in den insgesamt rund 200 Beratungsstellen in Deutschland. Die Vorgangserfassung stellt die statistische Erfassung aller Verbraucheranliegen dar, die an die Verbraucherzentralen herangetragen werden. Direkte Rückschlüsse auf die Häufigkeit des Vorkommens bestimmter Verbraucherprobleme in der Gesamtbevölkerung sind daraus jedoch nicht ableitbar.
*Aufgrund einer Anpassung des Erfassungsprozesses zum Jahreswechsel 2022/23 sind die Beschwerdezahlen der VZ Baden-Württemberg (BW) nicht mit denen vor diesem Zeitpunkt vergleichbar. Deshalb ist BW bei dieser Datenauswertung nicht berücksichtigt.