- Verbraucher:innen meldeten dem vzbv Fälle, bei denen sie für eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung privat zahlen sollten
- In zwei Drittel der Fälle nahmen Verbraucher:innen die medizinische Leistung trotz der ungerechtfertigten Kostenforderung in Anspruch
- vzbv: Finanzielle Motive dürfen ärztliche Versorgungsentscheidungen nicht beeinflussen – stärkerer Patientenschutz notwendig
Im Regelfall übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Behandlungskosten beim Arztbesuch. Doch Verbraucher:innen berichten immer wieder, dass Ärzt:innen ihnen Kassenleistungen als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) verkaufen. Patient:innen sollen also für Leistungen bezahlen, die von der Krankenkasse gedeckt sind. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat deshalb einen Verbraucheraufruf gestartet. Die Zwischenauswertung zeigt, dass eine Umwandlung von Kassenleistungen in IGeL stattfindet.
„Verbraucher:innen müssen darauf vertrauen können, dass sich ärztliches Handeln einzig am Bedarf der Patient:innen ausrichtet. Ärzt:innen sind verpflichtet, ihre Patient:innen wahrheitsgemäß darüber aufzuklären, welche Leistungen unter welchen Bedingungen von der Krankenkasse übernommen werden. Daran müssen sie sich halten. Eine Praxis ist keine Verkaufsfläche“, so Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik im vzbv.
Rückmeldungen der Verbraucher:innen
Verbraucher:innen berichten unter anderem, dass sie für eine Ultraschalluntersuchung der Brust selbst zahlen mussten, obwohl ein begründeter Verdacht auf eine bösartige Veränderung oder eine Überweisung vorlag. Es gab auch Berichte, dass notwendige Kontrolluntersuchungen bei Augenärzt:innen sowie Tests zur Feststellung der Sehstärke als Selbstzahlerleistungen abgerechnet wurden.
In knapp einem Fünftel der eingegangenen Meldungen (19 Prozent) gaben Verbraucher:innen an, nicht über die privat zu tragenden Kosten im Vorfeld der Behandlung informiert worden zu sein. In zwei Drittel der Fälle (66 Prozent) berichteten sie, dass sie trotz der Kosten die medizinische Leistung in Anspruch genommen haben.
„Es überrascht nicht, dass Patient:innen zusätzliche Kosten in Kauf nehmen. Ihre Verhandlungsposition wird dadurch geschwächt, dass Termine bei anderen Ärzt:innen meist nur mit erheblichen Wartezeiten oder teils gar nicht zu bekommen sind. Das erhöht die Zahlungsbereitschaft“, so Schröder.
Problemfall Hautkrebsfrüherkennung
Im Fachgebiet der Dermatologie gaben Verbraucher:innen größtenteils (70 von 77 Meldungen) Rückmeldung zur Untersuchung der Hautkrebsfrüherkennung, die ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre von der Krankenkasse übernommen wird.
Verbraucher:innen schilderten, dass sie entweder die Kosten des Hautkrebsscreenings selbst tragen oder Zuzahlungen leisten sollten, zum Beispiel für die Nutzung eines Auflichtmikroskops. Sie berichteten zudem von dem Problem, dass in ihrem näheren Wohnumfeld keine Ärzt:innen die Hautkrebsuntersuchung als Kassenleistung anboten. Damit Ärzt:innen die Untersuchung als Kassenleistung abrechnen können, müssen sie einmalig an einer zertifizierten Fortbildung teilnehmen.
Der vzbv fordert, dass Vertragsärzte Kassenleistungen auch als solche anbieten und notwendige Voraussetzungen zur Abrechnung als Kassenleistung erfüllen müssen. „Finanzielle Motive dürfen in der ärztlichen Versorgung keine Rolle spielen“, so Schröder.
Patientenrechte stärken
Die Bundesregierung muss die Rechte von Patient:innen stärken, fordert der vzbv. Das veraltete Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 muss dringend überarbeitet werden – auch mit Hinblick auf die Umwandlung von Kassenleistungen zu IGeL. „Patient:innen müssen besser vor fragwürdigen IGeL-Praktiken geschützt werden“, so Schröder.
Der Verbraucheraufruf „Beim Arztbesuch unnötig zur Kasse gebeten?“ läuft weiterhin. Verbraucher:innen können ihre Erfahrungen online schildern: verbraucherzentrale.de
Methode
Die Marktbeobachtung des Verbraucherzentrale Bundesverbands schaltete den Verbraucheraufruf am 29. Februar 2024 auf der Webseite der Verbraucherzentralen. Ausgewertet wurden 297 bis zum 16. September 2024 eingegangene Meldungen von Verbraucher:innen. Rückschlüsse auf die Häufigkeit der Problemschilderungen in der Gesamtbevölkerung sind aus den Daten nicht ableitbar.