- „Klimaneutral“, „klimapositiv“ & Co.: Projekt Lebensmittelklarheit zeigt, wie grüne Werbeclaims wirklich wirken.
- Nicht-regulierter Siegeldschungel führt Verbraucher:innen in die Irre.
- vzbv fordert „Siegel-Check“ für Klima-Claims.
„CO-2-kompensierter Erdbeerjoghurt“, „klimaneutrale Milch“ oder „klima-positiver Babybrei“: Grüne Werbeclaims auf Lebensmitteln haben erhebliches Greenwashing-Potenzial. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Forschungsagentur „Zühlsdorf + Partner“ und der Universität Göttingen im Auftrag des Projekts Lebensmittelklarheit des vzbv. Demnach lassen auf Nachhaltigkeit bezogene Werbeaussagen Produkte bei Verbraucher:innen in einem deutlich positiveren Licht erscheinen. Das ist problematisch, da viele dieser Werbeaussagen vollkommen ungeregelt und ungeprüft sind. Der vzbv fordert einen Siegel-Check sowie ein Verbot ungeprüfter grüner Werbeclaims.
„Der Wildwuchs mit nachhaltigen Werbeversprechen treibt immer seltsamere Blüten. Ob Steak, Milch oder Babybrei: Inzwischen bewerben die Unternehmen nahezu jedes Produkt als nachhaltig. Dabei ist nicht nachvollziehbar, was solche Claims und Siegel wirklich wert sind. Hier ist Manipulation und Greenwashing Tür und Tor geöffnet und sollte daher von der Politik dringend geregelt werden. Greenwashing erschwert eine klima- und umweltfreundliche Lebensmittelwahl für die Verbraucher:innen und schadet zu guter letzt Umwelt und Klima. Schließlich wird die Glaubwürdigkeit umweltengagierter Unternehmen damit untergraben. Ein Check für Klima-Claims ist überfällig“, sagt vzbv-Vorständin Ramona Pop.
Laut der Studie können Nachhaltigkeits-Aussagen Verbraucher:innen mitunter deutlich manipulieren und zu Fehleinschätzungen führen. So führen klimabezogene Werbeaussagen etwa zu einer deutlich positiveren Produktwahrnehmung – auch wenn die tatsächliche Klimafreundlichkeit des Produktes völlig unklar ist.
In der Untersuchung wurden Verbraucher:innen beispielsweise gebeten, die Klimafreundlichkeit eines Rindersteaks, eines Schweineschnitzels und eines veganen Burger-Pattys einzuschätzen. Ohne Werbeclaim waren immerhin 70 Prozent der Befragten in der Lage, das vegane Patty korrekt als klimafreundlichstes Produkt zu identifizieren. Wurden die Produkte mit klimabezogenen Werbeaussagen ausgezeichnet, erkannten nur noch 58 Prozent das klimafreundlichste Produkt. 28 Prozent waren der Meinung, das Rindersteak sei klimafreundlicher.
Auch Claims zu Transportentfernung („regional“) oder Verpackungsvorteilen („plastikfrei“) lassen Produkte umweltfreundlicher erscheinen. Dass solche Teilaspekte für die Gesamt-Ökobilanz des Lebensmittels oft wenig relevant sind, ist vielen Verbraucher:innen nicht bewusst: 72 Prozent halten regionale Produkte fälschlich immer für klimafreundlicher.
- 56 Prozent der Befragten kommen beim Verpackungs-Claim „plastikfrei“ auf einem Schokoriegel zu einer positiven Umwelteinschätzung des gesamten Produkts – 30 Prozentpunkte mehr als bei der Variante ohne Claim, obwohl der Inhalt der gleiche ist.
- Nur zehn Prozent der Befragten können den Zusammenhang von „Klimaneutralität“ und Kompensation korrekt einordnen. Die Mehrheit geht fälschlicherweise davon aus, dass „klimaneutral“ gleichbedeutend mit „weniger Treibhausgasausstoß“ ist. Tatsächlich entstehen bei der Produktion immer Treibhausgase.
Die Ergebnisse zeigen, dass Verbraucher:innen oft unsicher sind, was die Claims tatsächlich bedeuten. Das bestätigen auch Meldungen an das Portal Lebensmittelklarheit.de, die das Projekt dazu veranlassten, die Wirkung der Claims näher zu untersuchen. Für die Untersuchung wurden 2.109 Verbraucher:innen zu 16 häufigen Umweltclaims im Lebensmittelmarketing befragt.
Der vzbv fordert die EU-Kommission in einem aktuellen Positionspapier auf, umweltbezogene Werbeaussagen besser zu regulieren. Dazu gehört: Umweltbezogene Werbeaussagen sollten nur erlaubt sein, wenn sie belegbar sind und die Vergabe von Nachhaltigkeitslabeln sollte staatlich kontrolliert werden. Die Werbung mit angeblicher „Klimaneutralität“ von Produkten sollte verboten werden, ebenso wie Umweltaussagen, die sich nur auf einzelne Aspekte (beispielsweise die Verpackung) eines Produkts beziehen. Nachhaltigkeitssiegel sollten nur erlaubt sein, wenn sie durch eine dritte Partei unabhängig zertifiziert werden.
Die Studie wurde im Auftrag des Projekts Lebensmittelklarheit durchgeführt. Das Projekt betreibt das Verbraucherportal Lebensmittelklarheit.de. Es wird durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.