Der europäische Gesetzgeber hat sich auf eine neue Produkthaftungsrichtlinie geeinigt. Meret Sophie Noll, Referentin im Team Recht und Handel beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), kommentiert:
Endlich sind die Regelungen zur Produkthaftung im 21. Jahrhundert angekommen. Verbraucher:innen haben zukünftig mehr Möglichkeiten, Schadensersatz zu verlangen – wenn beispielsweise durch einen Fehler im Betriebssystem Daten vom Computer verloren gehen. Ebenso werden Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit nun als Schaden anerkannt.
Für die Frage, ob ein Produkt fehlerhaft ist, kommt es nun nicht mehr allein auf den Zeitpunkt des Verkaufs an. Das ist positiv. Hier wird berücksichtigt, dass Hersteller beispielsweise durch Software-Updates weiterhin die Kontrolle über ihr Produkt ausüben können. Dann müssen sie auch folgerichtig weiter dafür haften.
Leider konnten sich die Verhandelnden nicht zu einer Beweislastumkehr durchringen. Das heißt: Weiterhin werden Verbraucher:innen nachweisen müssen, dass ihnen durch ein fehlerhaftes Produkt ein Schaden entstanden ist. Aus Sicht des vzbv ist dies die größte Schwäche der Richtlinie. Denn vor allem bei vernetzten Produkten wie Smart-Home-Systemen ist es für Verbraucher:innen schwierig, den Produktfehler und vor allem den Zusammenhang zum konkreten Schaden nachzuweisen. Immerhin sind Erleichterungen bei der Beweislast beschlossen worden. Der vzbv wird genau beobachten, ob sie Verbraucher:innen helfen.
Deutschland muss in der anstehenden nationalen Umsetzung die bestehenden Spielräume im Sinne der Verbraucher:innen nutzen.
Hintergrund:
Ende September 2022 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Modernisierung des fast 40 Jahre alten Produkthaftungsrechts veröffentlicht. Die derzeit geltende Produkthaftungsrichtlinie deckt nicht alle inzwischen existierenden Produktkategorien und Schäden ab. Insbesondere, ob Software vom Anwendungsbereich umfasst ist, war jahrelang diskutiert worden. Mit der expliziten Nennung von Software als Produkt herrscht nun Klarheit. Parlament und Rat müssen der Trilog-Einigung noch offiziell zustimmen. Nach Inkrafttreten müssen die Mitgliedsstaaten sie dann in nationales Recht umsetzen.