Datum: 30.08.2017

Fragen und Antworten zu TTIP

Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen

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Quelle: Gert Baumbach

Die EU und die USA verhandeln seit 2013 über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (englische Abkürzung TTIP). Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) macht sich während der Verhandlungen stark für mehr Verbraucherschutz.

Hier finden Sie Fragen und Antworten zu TTIP aus Verbrauchersicht sowie einen Überblick über aktuelle Empfehlungen des vzbv zu verschiedenen Themen, die im TTIP verhandelt werden.

Eine allgemeine Bewertung von Handelsabkommen und ihren Auswirkungen auf Verbraucher finden Sie hier.
 

Wirtschaftswachstum fördern, Arbeitsplätze schaffen, internationale Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten und Blaupause für zukünftige Freihandels- und Investitionsabkommen sein – das sind laut Europäischer Kommission die Hauptziele von EU und USA.

Das EU-Verhandlungsmandat umfasst nahezu alle Industrie-, Wirtschafts- und Dienstleistungssektoren, angefangen von agrar- und landwirtschaftlichen Erzeugnissen bis hin zum Datentransfer.

Die Ziele im Einzelnen:

  • Abbau von Handelshemmnissen, etwa in Form der Abschaffung von Warenzöllen
  • Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung von Normen und Standards
  • stärkere Öffnung der Dienstleistungsmärkte
  • erleichterter Zugang von Unternehmen zu öffentlichen Beschaffungsmärkten
  • Schaffung eines sicheren Rahmens für unternehmerische Investitionen
  • enge regulatorische Zusammenarbeit

Der ökonomische Nutzen sowie die möglichen Kosten des transatlantischen Handelsabkommens sind nur schwer zu beziffern. Letztlich kommt es auf die endgültige Form des Abkommens und die Reichweite der Marktöffnung an, um Aussagen über die ökonomische Wirkung von TTIP zu treffen.

Einige Studien, etwa im Auftrag der Europäischen Kommission oder des Bundeswirtschaftsministeriums, sprechen von einem Gewinn von bis zu 119 Milliarden Euro für die EU-Wirtschaft. Eine vierköpfige Familie sollte laut Studie auf diese Weise in Zukunft (ab dem Jahr 2027) jährlich bis zu 545 Euro im Durchschnitt einsparen (Quelle: CEPR 2013) – gesetzt den Fall, Unternehmen reichen die verringerten Kosten an die Endverbraucher weiter. Je nach Szenario – entweder lediglich durch den Abbau von Zöllen oder aber durch tiefere Liberalisierung im regulatorischen Bereich mit Berücksichtigung von Handelsumlenkungseffekten – könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland über zehn Jahre zwischen 0,2 bis 4,7 Prozent steigen (Quelle: ifo-Institut 2013).

Diese Prognosen wurden allerdings auch in Abrede gestellt. Studien der US-amerikanischen Tufts-Universität prognostizieren auf Grundlage des „United Nations Global Policy Model“ stärkere Umverteilungs- und Verdrängungseffekte, die auch zu Lasten der EU-Wirtschaft gehen könnten.

Eine Folgenabschätzung der EU-Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass Verbraucherpreise unter TTIP sogar marginal um 0,3% steigen könnten. Das verfügbare Haushaltseinkommen würde aber ebenfalls um 0,4% steigen (Quelle: EU-Kommission).

Ob und inwieweit sich diese jeweiligen Modellrechnungen realisieren, ist – auch unter Berücksichtigung der Effekte anderer Freihandelsabkommen – insgesamt fraglich. Statt ökonomische Zahlen für eine Bewertung von Freihandelsabkommen heranzuziehen, ist es wichtiger, die genauen inhaltlichen Schwerpunkte und die Regelungsbereiche von TTIP zu betrachten. Außerdem müssen Handelsabkommen, die bereits in Kraft getreten sind – wie etwa das Abkommen zwischen der EU und Südkorea, einer genauen Prüfung ihrer verbraucherpolitischen Effekte unterzogen werden.

Das hängt von dessen Inhalt ab. Bewegt sich das Abkommen innerhalb der handelspolitischen Kompetenzen der Europäischen Union, berührt es also nicht die Kompetenzen der EU-Mitgliedstaaten, handelt es sich um ein EU-Abkommen, das auf europäischer Seite nur vom Europäischen Parlament und vom Rat zu ratifizieren ist. Berührt das Abkommen dagegen auch die Kompetenzen der Mitgliedstaaten, ist es ein gemischtes Abkommen, das dann auch von den nationalen Parlamenten mit zu ratifizieren wäre. Um welche Art von Abkommen es sich handelt, lässt sich formal erst mit Vorlage des finalen Verhandlungstextes beurteilen.

Im Mai 2017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in dieser Frage eine gutachterliche Stellungnahme vorgelegt. Hintergrund war die Frage der Europäischen Kommission, welche Rechtsnatur das bereits abgeschlossene EU-Singapur-Freihandelsabkommen hat. Der EuGH hat hier festgestellt, dass das gros der im Singapur-Abkommen geregelten Bereiche in die Kompetenz der Europäischen Union fallen. Nur die Bereiche des Investitionsschutzes, d.h. Regeln zu sogenannten Portfolioinvestitionen, sowie die Regeln zur Streitbeilegung zwischen Investoren und Staaten fallen in die mitgliedstaatliche Kompetenz (Quelle: EuGH).

Bislang hat sich die EU-Kommission noch nicht dazu positioniert, welche Auswirkungen das Urteil aus ihrer Sicht auf derzeit stattfindende Handelsverhandlungen hat. So ist beispielsweise vorstellbar, dass künftig Regeln zum Investorenschutz aus dem Paket von Handelsabkommen herausgelöst werden.

Nachdem TTIP nicht unter der Obama-Administration zu Ende verhandelt werden konnte, liegt das Abkommen derzeit auf Eis. Allerdings betonen sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Bundesregierung ihren prinzipiellen Willen, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Auch auf der US-Seite wird überlegt, wie die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA vertieft werden könnten. Derzeit ist aber nicht absehbar, ob und wenn ja, mit welchem Mandat und welchen Schwerpunkten, die Verhandlungen wieder aufgenommen werden.

Grundsätzlich spricht sich der vzbv gemeinsam mit europäischen und amerikanischen Verbraucherorganisationen dafür aus, die TTIP-Verhandlungen nicht zu überfrachten und nicht alle Lebensbereiche durch ein Handelsabkommen zu regeln (Quelle: TACD)

Bis Oktober 2016 wurden insgesamt 15 Verhandlungsrunden durchgeführt, in denen die Verhandlungsführer zu den verschiedenen Bereichen Vorschläge vorgelegt haben. Es liegen zu allen geplanten Kapiteln Vorschläge beider Seiten auf dem Tisch. Einige Textvorschläge sind sogar schon in so genannte konsolidierte Texte überführt worden, in denen beide Positionen in einem Fließtext dargestellt werden. Zum Abschluss der Obama-Regierung haben die Verhandlungspartner eine Zusammenfassung vorgelegt, in der beschrieben wird, was bislang in den TTIP-Verhandlungen erreicht wurde (Quelle: Europäische Kommission). Das Dokument sollte auch als Leitschnur für die neue US-Regierung dienen. Bislang hat die Trump-Regierung sich aber nicht dezidiert für eine Fortführung der Verhandlungen ausgesprochen.

Die Verhandlungen betreffen unter anderem folgende aus Verbrauchersicht relevante Themen: Vorschläge zur themenübergreifenden regulatorischen Kooperation (beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Regierungsbehörden zur Angleichung von Gesetzesinitiativen) sowie zur sektorspezifischen regulatorischen Kooperation (im Bereich des Pflanzen- und Umweltschutzes etwa die Zusammenarbeit bei der gegenseitigen Anerkennung von Zertifizierungen), weiterhin Vorschläge zu den (phyto-)sanitären Maßnahmen (zu Lebensmittelsicherheitsstandards), dem Bereich Onlinehandel und Telekommunikation sowie Pharmazeutika und Medizinprodukte.

Im Juni 2015 hat der amerikanische Präsident die so genannte „Trade Promotion Authority“ vom US-Kongress erhalten. Mit dieser gibt der amerikanische Kongress sein Recht auf, Änderungen an einem eigentlich fertig verhandelten Abkommen einfordern zu können. Am 8. Juli 2015 hat das Europäische Parlament mit großer Mehrheit eine TTIP-Entschließung verabschiedet. Diese ist zwar unverbindlicher Natur, signalisiert der EU-Kommission aber, unter welchen Voraussetzungen das Parlament einen künftigen TTIP-Text ratifizieren würde oder nicht (Quelle: Europäisches Parlament).

Wie schätzt der vzbv das beabsichtigte Abkommen ein?

Aus Sicht des vzbv kann und sollte das Abkommen genutzt werden, um Handelshemmnisse „im engen Sinne“ abzubauen. Zölle, die primär das Ziel haben, besonders wettbewerbsfähige EU- bzw. US-Waren abzuwehren oder unattraktiv zu machen, können beseitigt oder schrittweise abgesenkt werden. Auch Doppelanforderungen an Hersteller, die zu keiner anderen oder höheren Produktsicherheit führen, stattdessen aber Mehraufwand und Mehrkosten auslösen, sollten aufgehoben werden.

Angesichts der Breite des Verhandlungsmandats und unterschiedlicher Regulierungsphilosophien sieht der vzbv aber die beabsichtigte Angleichung auch von Zertifizierungen und Regulierungen skeptisch. Denn davon könnten auch Verbraucher schützende Herstellungsmethoden, Hygiene- und Sicherheitsvorschriften sowie Kennzeichnungspflichten betroffen sein. Sie könnten als Handelshemmnisse deklariert und beseitigt werden. Die Europäische Kommission weist allerdings darauf hin, dass sie die in Europa erreichten Schutzstandards nicht aufgeben werde. Auch der US-Präsident erklärte, er werde kein Abkommen unterzeichnen, das den Verbraucher- und Umweltschutz schwäche.

Aufgrund der jeweiligen Marktzugangsinteressen der europäischen wie der US-amerikanischen Wirtschaft ist allerdings fraglich, ob und inwieweit das jeweils höhere Verbraucherschutzniveau gewahrt werden kann. Bislang ist nämlich nicht erkennbar, dass das jeweils höhere Verbraucherschutzniveau Leitschnur für die Verhandlungen ist. Da sich viele europäische und US-amerikanische Schutz- und Regulierungsansätze strukturell unterscheiden und Abkommen auf Kompromissen beruhen, also auf Geben und Nehmen beider Verhandlungsseiten, ist hier Wachsamkeit gefordert.

Angesichts der Herausforderungen für den Erhalt natürlicher Ressourcen, die durch die Globalisierung entstehen, wäre es zudem wichtig, dass die Verhandlungen konsequent genutzt würden, um eine nachhaltige und ressourcenschonende Wirtschafts- und Konsumweise zu fördern. Ob und inwieweit das Ziel von Wirtschaftswachstum dafür Raum lässt, und mit welcher Tiefe und Verbindlichkeit Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, ist offen.

 

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