- Aktuelle Marktwächteruntersuchung: 64 Prozent der deutschen Abonnenten kostenpflichtiger Streamingdienste wollen das Angebot in allen EU-Ländern nutzen.
- Andere Onlineangebote wie Mediatheken sind trotz Portabilitätsverordnung ab 2018 weiterhin nicht oder nur begrenzt im EU-Ausland nutzbar.
- Vorstoß der EU-Kommission zur Liberalisierung steht vor dem Aus.
Mit der ab 2018 vorgesehenen Portabilitätsverordnung soll es Verbrauchern in der EU ab dem nächsten Jahr möglich sein, zumindest kostenpflichtig abonnierte Streaming-Dienste vorübergehend auch vom EU-Ausland aus nutzen zu können. Das steht im Einklang mit einer deutlichen Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Marktwächter Digitale Welt der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz: 64 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass das Angebot kostenpflichtiger Streaming-Dienste in allen Ländern der EU abrufbar sein sollte.
Auch die Nutzer gebühren- oder werbefinanzierter Angebote wie beispielsweise Mediatheken von TV-Sendern wünschen sich die Möglichkeit einer Nutzung im EU-Ausland: Hier geben 41 Prozent an, dass ihnen der Zugriff auf Mediatheken auch vom EU-Ausland aus wichtig ist. Unbeschwerten Zugang zu Online-Diensten von Fernsehsendern aus dem EU-Ausland wird es jedoch selbst mit der neuen Portabilitätsverordnung nicht geben.
„Es ist im ureigensten Interesse Europas, dass Bürger Kultur- und Informationsangebote aus der gesamten EU nutzen können, um dem Ziel einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit und Identität näher zu kommen. In Zeiten großer Europaskepsis schaffen es die EU-Parlamentarier nicht, für eine bessere Verbreitung europäischer Inhalte in Europa zu sorgen. Im Gegenteil: Digitale Grenzbäume bleiben weiter aufgestellt.“, sagt Lina Ehrig, Teamleiterin Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Nicht mal Minimallösung möglich
Denn eine von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung, die hier zumindest eine gewisse Erleichterung bringen sollte, stößt auf breiten Widerstand im Europäischen Parlament. Ziel der Verordnung ist es, den Zugang zu grenzüberschreitenden Online-Diensten von Fernsehsendern zu erleichtern. Davon wären sowohl der Livestream des TV-Programms als auch der Zugang zu Mediatheken umfasst. Zwar ist die Verordnung mit starken Einschränkungen versehen, so dass die Regelung keinesfalls gleichzusetzen wäre mit einem echten grenzüberschreitenden Zugang zu den Angeboten europäischer Fernsehsender. Doch bereits diese Minimallösung steht in Brüssel vor dem Aus. Offenbar lehnt eine Mehrheit der EU-Parlamentarier den Vorschlag der Kommission als zu weitreichend ab. Insbesondere die Filmwirtschaft befürchtet, dass durch einen solchen Vorschlag quasi die Axt an die Grundpfeiler ihrer Finanzierung gelegt würde: den Verkauf von Lizenzrechten an Inhalten in jedem einzelnen EU-Land.
Digitale Kleinstaaterei statt freiem Binnenmarkt
Der vzbv bewertet diese Entwicklung als sehr bedauerlich, da sie offenlegt, wie übertriebene Partikularinteressen eines hochsubventionierten Wirtschaftszweiges einen Gesetzgebungsprozess lahmlegen können. Sachverstand aus der EU-Kommission und Wissenschaft bleiben bei dieser Entscheidung unberücksichtigt. Auch der eindeutig belegbare Wunsch der Verbraucher nach grenzüberschreitenden Zugang zu digitalen Inhalten ändert daran nichts. Der europäische Verbraucher bleibt auf der Strecke: Für Konsumgüter und Arbeitskräfte gilt der freie Binnenmarkt – bei digitalen Inhalten regiert nach wie vor Kleinstaaterei.
EU-Parlament blockiert digitalen Binnenmarkt in Europa
Diese Absage des EU-Parlaments an einen freien Binnenmarkt für digitale Inhalte widerspricht elementaren Zielen der EU, wie die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt, des sozialen Zusammenhalts und des freien und gleichen Zugangs zu Information. Der vzbv fordert daher, auf den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission einzugehen und den Anwendungsbereich der Verordnung auch auf andere Online-Inhaltedienste, die Video-on-Demand und Streaming anbieten, auszuweiten. Auch andere Online-Dienste, die keinen unmittelbaren Sendungsbezug zur linearen Ausstrahlung aufweisen, wie beispielsweise FUNK, das Jugendangebot von ARD und ZDF, müssten miterfasst sein.