- Hinter dem positiv klingenden Begriff der „Gutscheine“ verstecken sich in Wirklichkeit zinslose Zwangskredite der Verbraucherinnen und Verbraucher an die Unternehmen.
- Viele Verbraucher sind in der Krise ebenso auf Liquidität angewiesen wie Unternehmen.
- Auch in Krisensituationen gilt: Verbraucherrechte dürfen nicht den Interessen der Unternehmen geopfert werden. Faire Lösungen gelingen nur, wenn Lasten fair verteilt werden.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) lehnt die von der Bundesregierung diskutierten Neuregelungen im europäischen Reiserecht ab.
„Auf Verbraucherrechte müssen sich die Menschen auch in der Krise verlassen können. Eine gemeinsame Bewältigung der Krise kann nicht funktionieren, wenn Verbraucherinnen und Verbrauchern unverhältnismäßig große Risiken und Lasten aufgebürdet werden. Sie haben Vorkassezahlungen für Reisen in dem Vertrauen geleistet, diese Gelder auch bei Absagen zurückzuerhalten. Das Aufweichen der europäischen Verbraucherrechte ist der falsche Weg. Die Liquidität der Reisebranche muss durch einen Fonds ermöglicht werden, nicht durch Kundengelder“, fordert vzbv-Vorstand Klaus Müller. Bislang galt, dass Anbieter – wenn Reisen oder Veranstaltungen abgesagt werden – bereits gezahlte Gelder innerhalb von 14 Tagen an die Verbraucher zurücküberweisen müssen. Dieses Recht will die Regierung nun im Zuge der Corona-Krise einschränken. Verbraucher wären gezwungen, Gutscheine zu akzeptieren.
„Das ist inakzeptabel“, urteilt Müller. „Diese sogenannten Gutscheine sind in Wirklichkeit Zwangskredite der Verbraucher an die Unternehmen, für die sie nicht mal Zinsen erhalten. In der Corona-Krise sind viele Verbraucher genauso dringend auf liquide Mittel angewiesen wie Unternehmen. Sie zu Zwangskrediten an Unternehmen zu zwingen, während sie selbst vielleicht nur über die Runden kommen, indem sie Kredite aufnehmen und Zinsen zahlen, ist völlig unverhältnismäßig.“ Die Maßnahmen gefährden das Vertrauen der Verbraucher.
Der vzbv weist ausdrücklich darauf hin, dass er nicht gegen Hilfen für Unternehmen ist. „Wir unterstützen die Bundesregierung im Aufsetzen effektiver Maßnahmen, die die Folgen der Corona-Krise abfedern und die Kosten sozialverträglich und fair verteilen. Dazu gehört auch, dass in besonderen Fällen Unternehmen Nothilfen des Staates bekommen“, erklärt Müller. „Aber Fairness und Sozialverträglichkeit dürfen dabei nicht verloren gehen. Verbraucher dürfen nicht als schnelle und zusätzliche Refinanzierungsquelle von Unternehmen missbraucht werden.“
Gerade in der Krise braucht es auf beiden Seiten Anstand
Viele Menschen suchen heute bereits Hilfe in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen, da immer mehr Reiseanbieter jetzt schon – ohne gesetzliche Grundlage – nur noch Gutscheine ausgeben statt Gelder zurückzuzahlen. „Gerade bei Pauschalreisen geht es oft um hohe Beträge, auf die die Menschen lange gespart haben. Da ist der Frust groß. Kommen dann noch Krisen-bedingte Sorgen um den Arbeitsplatz hinzu, wird daraus schnell Verzweiflung“, berichtet Müller.
Vorschläge für bessere Lösungen hat der vzbv vorgelegt
Der vzbv hat sich bereits in den vergangenen Tagen mit konstruktiven Lösungsvorschlägen an die Bundesregierung gewandt. Statt Gutscheine verpflichtend zu machen, könnte der Rückzahlungszeitpunkt für fällige Beträge bis maximal Ende April ausgedehnt werden. „Verbraucher werden jetzt aufgefordert, Restzahlungen für Reisen zu leisten, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden werden. Die Zahlungspflicht muss dringend ausgesetzt werden.“
Zudem sollte die Bundesregierung bis Ende April einen Reise-Sicherungsfonds einrichten, der zukünftige Insolvenzen absichert, kurzfristig Liquidität zur Erstattung der Kundengelder ermöglicht und von den Reiseunternehmen in den kommenden Jahren refinanziert wird. Das Modell muss nicht auf die Anbieter von Pauschalreisen beschränkt sein.
Aufruf: Betroffene können Erfahrungen in der Corona-Krise melden
Um Betrug, Abzocke und Missbrauch von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der Corona-Krise weiter zu verfolgen, benötigen die Verbraucherschützer die Hinweise und Beschwerden von Betroffenen. Diese können ihre Erfahrungen direkt online unter www.marktwaechter.de/corona melden.
Verbraucherinnen und Verbraucher, die Hilfe in ihrem individuellen Fall benötigen, sollten die Beratungsangebote der Verbraucherzentralen nutzen, Informationen unter www.verbraucherzentrale.de/beratung.