Datum: 02.06.2020

Kindermarketing bei Lebensmitteln strenger regeln

Gastbeitrag von Klaus Müller, Vorstand des vzbv, in der Fuldaer Zeitung

Pressefoto 4 Klaus Müller | Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband | Credit: vzbv - Gert Baumbach

Quelle: Gert Baumbach - vzbv

In einem Gastbeitrag in der Fuldaer Zeitung vom 02.06.2020 fordert Klaus Müller, Vorstand des vzbv, eine strengere gesetzliche Regulierung von Lebensmitteln mit Kinderoptik:

Die Supermärkte sind voll mit ungesunden Lebensmitteln, die ausdrücklich an Kinder vermarktet werden. Bunt verpackte Joghurts und Milchspeisen mit Comicfiguren, Knusperperlen oder Schokostücken warten in den Regalen. Kinder begeistert das und das ist auch gewollt: Sie sollen ihre Eltern möglichst zum Kauf der Produkte drängen, der „Quengelfaktor“ ist einkalkuliert. Gleichzeitig sollen Vitaminzugaben oder andere Hinweise auf der Verpackung auf vermeintlich gesunde Bestandteile Eltern überzeugen, dass es sich dabei um ausgewogene, für ihre Kinder besonders geeignete Produkte handelt. Das Gegenteil ist jedoch meist der Fall. In einem Marktcheck der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zum Beispiel kam der zuckerreichste Kinderjoghurt auf fast acht Zuckerwürfel pro Becher.

Kommen solche Produkte regelmäßig auf den Teller, gewöhnen sich die Jüngsten früh an den süßen Geschmack. Fehlernährung und Krankheiten, die durch falsche Ernährung mitbedingt sind, können die Folge sein. Laut der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland waren im Jahr 2017 zum Beispiel rund 15 Prozent der 3- bis 17-jährigen Kinder übergewichtig, etwa ein Drittel davon adipös.

Der Politik ist das Problem schon lange bekannt. Die Nationale Reduktionsstrategie der Bundesregierung für weniger Zucker, Fett und Salz in Fertiglebensmitteln legt zwar einen Fokus auf Lebensmittel mit Kinderoptik. Richtig erfolgreich war sie in diesem Segment bisher jedoch noch nicht. Auch wenn hier und da Zucker reduziert worden ist, enthalten Lebensmittel mit Kinderoptik in den meisten Fällen noch immer mehr Zucker als Lebensmittel ohne Kinderoptik. Das muss sich ändern und zwar schnell. Freiwillig wird das kaum gehen, das zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre. Denn trotz anderslautender Versprechen und Ankündigungen der Lebensmittelindustrie ist einfach zu wenig passiert. Nach wie vor ist es offenbar zu lukrativ, überzuckerte Lebensmittel für Kinder herzustellen.

Nun hat Bundesernährungsministerin Julia Klöckner Zuckerzusätze in Tees für Babys und Kleinkinder verboten. Das klingt gut, ist auch richtig, aber längst nicht ausreichend. Denn es handelt sich dabei nur um ein winziges Marktsegment. Die große Masse der Zuckerbomben für Kinder steht weiterhin im Regal. Notwendig ist es deshalb, strenge gesetzliche Vorgaben für alle Produkte zu erlassen, die gezielt an Kinder vermarktet und beworben werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Nährwertprofile für Produkte entwickelt, die als ausgewogen gelten und an Kinder vermarktet werden können. Frisches Obst und Gemüse dürfen demnach beispielsweise vorbehaltlos vermarktet werden, Frühstückscerealien und Joghurts müssen unter anderem Höchstgrenzen für Zucker einhalten. Die Bundesregierung sollte einen Gesetzesvorschlag zur Regelung von Werbung und Marketing von Kinderprodukten entwickeln, der diese WHO-Nährwertprofile als Grundlage nutzt. Eine gesetzliche Regelung sollte neben der Werbung auf Plakaten, im Fernsehen und in Sozialen Medien auch die Verpackung und die Aufmachung umfassen.

Eine große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wünscht sich eine gesetzliche Regulierung von Lebensmitteln mit Kinderoptik. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands sprechen sich 83 Prozent der Verbraucher dafür aus. Eltern, Großeltern, Lehrerinnen und Erziehern würde eine Regulierung dabei helfen, Kinder gesund zu ernähren – und den gemeinsamen Einkauf in jedem Fall erleichtern.

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