Da würde ich die Vorbereitung einer schlagkräftigen europäischen Sammelklage nennen. Am aktuellen Verhalten einiger Energieanbieter sieht man, warum das wichtig wäre. Die Kernaufgabe als politischer Lobbyverband war aber die Bundestagswahl. Ich glaube, dass es der vzbv mit den Verbraucherzentralen und -verbänden geschafft hat, konstruktive Vorschläge zu machen, um den Verbraucheralltag sicherer, einfacher, bezahlbarer und nachhaltiger zu gestalten, beispielsweise durch das im Koalitionsvertrag festgehaltene Recht auf Reparatur. Insgesamt haben es mehr als 100 verbraucherpolitische Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschafft, ein toller Erfolg.
Zudem hatte der vzbv schon im Herbst über die „Energiepreise des Grauens“ berichtet, auch wenn kein Verbraucherschützer die weitere Entwicklung und Putins Angriffskrieg voraussehen konnte. Wir hatten schon damals erstens einen sozialen Ausgleich gefordert und zweitens die Unabhängigkeit von fossilen Energien. Denn, das haben wir von Anfang an gesagt, wir erleben eine Krise der fossilen Energien. Der Krieg hat dies noch einmal verschärft.
Die Reform der privaten Altersvorsorge ist im Koalitionsvertrag nicht so festgehalten worden, wie wir uns das gewünscht hätten. Das ist enttäuschend. Die hohe Inflation spüren wir ganz akut bei Lebensmitteln und Heizkosten. Sie wird aber auch dramatisch auf die Altersvorsorge durchschlagen. Wenn man hier keine leistungsstarken Produkte hat, dann entwertet die Inflation die schlechte Altersvorsorge noch stärker.
Das ist ambivalent. Ich sehe ganz viel Schwung für den Ausbau der Erneuerbaren. Der Bundesfinanzminister hat mit dem Begriff der Freiheitsenergien den Kern getroffen. Es geht um Freiheit von fossilen Energien. Das ist die ökologische Dimension. Es geht aber auch darum, dass Deutschland nicht erpressbar sein soll. Es geht also um nationale bzw. europäische Souveränität. Mit dem Begriff wird also eine politische Brücke vom progressiven ins konservativ-liberale Lager geschlagen. Auf der anderen Seite sehen wir Debatten über die Reaktivierung von Kohlekraftwerken oder die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. Natürlich darf niemand frieren und die industrielle Stärke Deutschlands nicht gefährdet werden. Deshalb ist eine gewisse Flexibilität nötig. Versorgungssicherheit hat 2022 und 2023 eine andere Bedeutung als bisher. Aber wir dürfen das Ziel der Klimaneutralität nicht aus den Augen verlieren. Aufgabe des vzbv sollte es sein, dieses Ziel auszubuchstabieren und klar zu machen, was das für den Alltag der Menschen bedeutet, bei der Mobilität, beim Heizen, der Ernährung oder Geldanlage.
Da gab es unglaublich viele. Drei Dinge möchte ich dennoch hervorheben. Auf Platz eins liegt die Musterfeststellungsklage gegen VW. Dass wir rund eine Dreiviertelmilliarde Euro an Entschädigung für eine Viertelmillion Verbraucher:innen auszahlen konnten, unkompliziert, kostenlos und enorm schnell, das war für viele Menschen ein echter Mehrwert und auch für mich eine tolle Erfahrung. Hier hat David zu Recht gegen Goliath gewonnen.
Die Etablierung der Marktwächter und -beobachtung hat den vzbv strukturell und qualitativ nach vorn gebracht. Der vzbv und die Verbraucherzentralen haben dadurch das Ohr noch näher an den Verbraucher:innen. Mir war es immer wichtig, dass der vzbv wirklich die Stimme der Verbraucher:innen ist. Das bedeutet mehr Legitimation und Stärke auf dem politischen Parkett. Gleichzeitig eröffnen sich Perspektiven: Mit dem Projekt „Verbraucherschutz bei digitalen Gesundheitsangeboten“ untersuchen wir in der Marktbeobachtung nun auch Entwicklungen auf dem Gesundheitsmarkt. Digitale Angebote werden im Gesundheitsbereich immer beliebter, und große Tech-Konzerne werden hier zunehmend aktiv. Da wollen wir genauer hinschauen, womit Verbraucher:innen konfrontiert werden.
Die Mitwirkung an der Daten-Ethikkommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft. Der Schulterschluss mit Wissenschaft, Zivilgesellschaft und teilweise auch Anbietern hat gute und konkrete Vorschläge für die Politik gebracht, um Digitalisierung und Ernährung besser und verbraucherfreundlicher zu machen.
Als ich zur Bundesnetzagentur gewechselt bin, wollte ich die Digitalisierung, die Energiewende und Klimaneutralität vorantreiben. Dann hat Russland die Ukraine angegriffen und die Prioritäten haben sich dramatisch verschoben. Wir sind seitdem in der Vorplanung von Notlagen, die wir vermeiden wollen und die sich keiner wünscht. Und ich erlebe jeden Tag, wie komplex und volatil unsere Abhängigkeiten von russischem Gas, Kohle und Öl sind. Das betrifft technische Details, Lieferketten und Vertragsgestaltungen. Aber es geht auch darum zu verstehen, was ernsthafte Sorgen sind und was Lobbyismus. Das macht den Reiz und die Verantwortung der neuen Aufgabe aus.
Dass er immer ganz hart am Wind segelt. Das heißt, sich die Freiheit und Flexibilität zu erhalten, die Probleme zu adressieren, welche die Menschen am meisten drücken. Das wird den Job immer interessant und anstrengend machen. Die Verbraucherprobleme ändern sich ja ständig. Ich wünsche dem vzbv deshalb, dass er weiterhin aus seiner Kompetenz, seinem Zuhören und seiner Werteorientierung als laute Stimme der Verbraucher:innen spricht. Alles andere würde ihn verwechselbar machen.
Das Interview wurde für den Jahresbericht 2021 des vzbv geführt.