- Idee der Musterfeststellungsklage könnte in Teilen auf EU-Ebene Wirklichkeit werden.
- vzbv fordert weitreichende Maßnahmen für Verbraucherschutz bei Online-Plattformen und warnt vor Einschränkungen beim Widerrufsrecht.
- Rechtsgutachten der Professoren Klaus Tonner, Axel Halfmeier und Marina Tamm stützt die Forderungen des vzbv.
Das geltende europäische Verbraucherrecht erfüllt insgesamt seinen Zweck. Das ist das Ergebnis einer Evaluierung der Europäischen Kommission, die diese im Juni veröffentlicht hat. Für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist das ein Signal für eine erfolgreiche Verbraucherpolitik. Nachholbedarf gebe es laut EU-Kommission jedoch beim Vollzug des EU-Verbraucherrechts. Außerdem sollten Internetplattformen ihre Transparenz und der Online-Handel die Verständlichkeit seiner Informationen verbessern. Der vzbv sieht hier ebenfalls erheblichen Nachbesserungsbedarf.
Kleine Musterfeststellungsklage auf EU-Ebene
Die EU-Kommission hat als ein Ergebnis des REFIT-Prozesses angekündigt, den direkten Nutzen von Unterlassungsklagen zu verbessern. Das würde bedeuten, dass diese Klagen in Zukunft verjährungshemmende Wirkung sowie Bindungswirkung für nachfolgende Zahlungsklagen von Verbrauchern hätten. „Diese erweiterten Unterlassungsklagen würden auf EU-Ebene zumindest in Teilen das umsetzen, wofür auch das Konzept der Musterfeststellungsklage steht. Dafür tritt der vzbv in Deutschland seit Langem ein“, sagt Otmar Lell, Leiter Team Recht und Handel beim vzbv.
Mehr Transparenz auf Internetplattformen
Die EU-Kommission fordert außerdem von Internetplattformen mehr Transparenz ein. Vergleichsplattformen sollen in Zukunft die Kriterien offenlegen, nach denen sie Angebote bewerten. Plattformen für Sharing-Economy sollen wiederum sicherstellen, dass Verbraucher wissen, ob ihr Vertragspartner ein gewerblicher Händler oder ein Privatanbieter ist und welche Folgen das hat.
„Bei der Regulierung von Internetplattformen bleiben viele Fragen offen. Auch gefälschte Bewertungen, unrichtige Preisangaben und weitreichende Haftungsausschlüsse sind große Ärgernisse, für die sich jedoch keine Lösungsvorschläge in den politischen Ankündigungen der EU-Kommission wiederfinden“, so Lell.
Mehr Verständlichkeit von Verbraucherinformationen
„Die EU-Kommission erkennt an, dass vorvertragliche Informationen und Allgemeine Geschäftsbedingungen derzeit für Verbraucher schwer verständlich sind. Diese Erkenntnis ist grundsätzlich ein gutes Zeichen“, so Lell. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass die von der Kommission angekündigten freiwilligen Leitlinien die Situation deutlich verbessern können. „Hier bedarf es bindender Regelungen, nach denen Unternehmen eine bessere, an den Verbraucherbedürfnissen orientierte Informationspolitik betreiben müssen.“
Widerrufsrecht in Gefahr
Kritisch sieht der vzbv die Bestrebungen der Kommission, das Widerrufsrecht im Fernabsatz künftig entfallen zu lassen, wenn die Ware intensiver als zu Testzwecken erforderlich genutzt wurde. Die bisherige Regelung, nach der Verbraucher nur den durch solchen Mehrgebrauch entstandenen Wertverlust erstatten müssen, sei ausgewogen. Die drohende Änderung würde falsche Anreize setzen und die die Rechte von Verbrauchern beim Online-Shopping schwächen.
Rechtsgutachten veröffentlicht
Der vzbv hatte zur Begleitung des REFIT-Prozesses ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. In dem Gutachten untersuchten Klaus Tonner, Axel Halfmeier und Marina Tamm den Verbesserungsbedarf im horizontalen Verbraucherrecht aus rechtswissenschaftlicher Sicht. Der Fokus liegt lag insbesondere auf den Bereichen unlauterer Wettbewerb, AGB-Recht und Unterlassungsklagen. Das Gutachten diente dem vzbv dazu, das vorliegende Fallrecht für die REFIT-Beratungen auszuwerten. Die Kommission hat unter anderem den Vorschlag zur Ausweitung der Unterlassungsklage aufgegriffen.
Eine erste verbraucherpolitische Bewertung der Ergebnisse sowie das Rechtsgutachten des REFIT-Prozesses stehen im Download-Bereich zur Verfügung.