Datum: 19.07.2012

Tochterfirma einer Sparkasse wird wie freier Anlagevermittler behandelt

Frau im Rechtswesen hat Laptop, Gesetztesbuch und Justitia vor sich auf dem Tisch

Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Urteil des BGH vom 19.07.2012 (III ZR 308/11)

Ein selbstständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Sparkasse, das als 100%ige Tochtergesellschaft (GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, muss seine Kunden nicht ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwarteten Provisionen aufklären. Die Tochtergesellschaft ist wie ein freier Anlageberater zu behandeln.

Eine Firma hatte sich bei einem Unternehmen der Finanzgruppe einer Sparkasse hinsichtlich einer Geldanlage beraten lassen und sich daraufhin an einem Medienfonds beteiligt. Der Geschäftsführer der Firma hatte nach Beitritt zum Fonds – wie mit der Anlageberatungsfirma vereinbart – eine Agioerstattung in Höhe von 3 Prozent auf die Pflichteinlage erhalten. Über die Provisionszahlung an die Anlageberatungsfirma war nicht gesprochen worden. Die Klägerin hatte Schadensersatz geltend gemacht.

Der Bundesgerichtshof urteilte zu Gunsten der Anlageberatungsfirma, die zur Sparkasse gehörte. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen einer unterbliebenen Aufklärung über Provisionen oder Rückvergütungen wegen des gezeichneten Fonds zu, da eine solche Pflicht nicht bestanden habe.  Ein freier nicht bankmäßig gebundener Anlageberater sei nicht verpflichtet, den Anleger ungefragt über den Umstand und die Höhe einer Provision aufzuklären.

Die Anlageberatungsfirma sei ungeachtet des Umstands, dass sie zur "Finanzgruppe der Sparkasse K. " gehöre und keine besonderen Geschäftsräume außerhalb der Sparkasse haben und ihr Kundenstamm im Wesentlichen aus Kunden der Sparkasse bestehen möge, ein eigenständiges Unternehmen, zu dessen Haupttätigkeit – nicht anders als bei sonstigen "freien" Anlageberatern – die Beratung bei der Geldanlage gehöre.

Für den Anleger läge es bei einer Beratung durch einen freien Anlageberater auf der Hand, dass dieser von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhalte, die – wirtschaftlich betrachtet – vom Anleger stammten. Wenn ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung offen ausgewiesen seien, so wäre dem Anleger klar erkennbar, dass aus diesen Mitteln auch Vertriebsprovisionen bezahlt würden, an denen sein Anlageberater partizipiere. Darüber hinaus sei zwischen den beiden Parteien offen über das Agio und eine Rückerstattung verhandelt worden. Unter diesen Umständen bestehe regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen des Anlegers darauf, dass der Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhalte; vielmehr seien dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst.

Im vorliegenden Fall handelte es sich bei dem Anleger zwar um eine Firma, dennoch hat der Fall auch für Verbraucher Relevanz. Es erscheint zudem wenig einleuchtend, dass es für einen Anleger offensichtlich sein soll, dass er sich bei einem freien Anlageberater im Sinne der BGH-Rechtsprechung beraten lässt, wenn er von seiner Bank oder Sparkasse an diesen Anlageberater verwiesen wird und sich dessen Räumlichkeiten zudem noch im selben Gebäude mit der Bank oder Sparkasse befinden.

Der dritte Senat des Bundesgerichtshofes vertritt hier eine andere rechtliche Position als der elfte Senat des Bundesgerichtshofes. Freie Vermittler wie von Strukturvertrieben (z.B. AWD) sind nach Ansicht des dritten Senats des BGH zwar „Anlageberater“, der Verbraucher wisse aber hier, dass diese Vermittler allein von Provisionen leben. Verbraucher müssten daher in diesen Fällen nicht weiter aufgeklärt werden. Anders der elfte Senat des BGH, der bei einer „Anlageberatung“ grundsätzlich davon ausgeht, dass der „Berater“ anders als ein bloßer Vermittler im Lager des Verbrauchers steht und jede Provision dem Verbraucher offen gelegt werden müsse. Denn die Beratung erfolge allein im Kundeninteresse (anleger- und objektgerechte Beratung) und darf nicht durch ein verstecktes Provisionsinteresse beeinflusst werden.

Datum der Urteilsverkündung: 19.07.2012

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