Datum: 21.11.2019

Überhöhte Forderungen bei der Vorfälligkeitsentschädigung

Marktwächteruntersuchung zeigt Probleme der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen und stellt neuen Ansatz vor

Ärger über undurchsichtige Rechnungen

Quelle: tiero - 123rf.com

Verbraucherinnen und Verbraucher sehen sich derzeit hohen Vorfälligkeitsentschädigungen gegenüber, wenn sie eine Immobilienfinanzierung vorzeitig ablösen. Grund ist das niedrige Zinsniveau und damit die hohe Differenz zwischen dem seinerzeit abgeschlossenen und dem aktuellen Zinssatz. Das ist ein wichtiger Faktor bei der Höhe der Entschädigungssumme. Bei einer Untersuchung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Bremen zeigt sich, dass Forderungen von Anbietern oft überhöht sind. In über drei Viertel der untersuchten Fälle lagen die geforderten Entschädigungen über denen, die die Marktwächter-Experten ermittelt haben. Ein neuer Berechnungsansatz verspricht mehr Transparenz und in den meisten Fällen eine geringere Vorfälligkeitsentschädigung.

Müssen Verbraucher ihre Immobilie außerplanmäßig, zum Beispiel wegen Scheidung, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder eines berufsbedingten Umzugs, verkaufen und ihre damit verbundene Finanzierung vorzeitig ablösen, kann der Anbieter unter bestimmten Voraussetzungen den Ersatz des ihm hierdurch entstehenden Nachteils in Form der sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Für deren Berechnung hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die „Aktiv-Passiv-Methode“ und die „Aktiv-Aktiv-Methode“ als zulässig anerkannt.

Marktwächteruntersuchung zeigt: Anbieter fordern oft zu viel

In den untersuchten Fällen hatten die Anbieter die Vorfälligkeitsentschädigung ausschließlich nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnet. Für 77 Prozent dieser Berechnungen ermittelte der Marktwächter eine niedrigere Entschädigung als vom jeweiligen Anbieter gefordert. Im Durchschnitt lag die Entschädigung um fünf Prozent unter der des Anbieters. „Ein Großteil dieser Abweichungen ist darauf zurückzuführen, dass die pauschalen Abzüge der Anbieter für entfallende Risiko- und Verwaltungskosten nach unserer Meinung zu niedrig angesetzt sind“, sagt Philipp Rehberg, Teamleiter Immobilienfinanzierung beim Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Bremen.

Im Durchschnitt forderten die Anbieter zehn Prozent der noch offenen Restschuld zusätzlich von den Verbrauchern, wenn sie ihre Immobilienfinanzierung vor Ende der Zinsbindung zurückzahlen wollten.

BGH-Rechtsprechung ignoriert

Schon 2016 urteilte der BGH, dass vertragliche Tilgungsrechte schadensmindernd bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen sind. Das wird nicht von allen Anbietern umgesetzt. „In mindestens acht Prozent der untersuchten Fälle wurden die vertraglichen Sondertilgungsrechte nicht berücksichtigt oder die laufende Tilgung zu niedrig angesetzt“, sagt Rehberg. „Dies ist angesichts der eindeutigen Rechtsprechung nicht nachvollziehbar.“

Neuer Berechnungsansatz

Die Marktwächterexperten haben einen neuen Berechnungsansatz für die Vorfälligkeitsentschädigung angewendet. Ohne Annahme pauschaler Werte zielt der neue Berechnungsansatz auf den reinen Zinsverschlechterungsschaden des Darlehensgebers durch die vorzeitige Kündigung ab. Ein entgangener Gewinn wird, anders als bei der Aktiv-Passiv-Methode, nicht entschädigt. Aufgrund der Anforderungen durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie und der anhaltenden Kritik an den gängigen Berechnungsmethoden wurde 2016 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ins Leben gerufen. In der Arbeitsgruppe wurde dieser von Professor Löw (Frankfurt School of Finance and Management, Accounting Department) entwickelte neue Berechnungsansatz kontrovers diskutiert.

„Spätestens aufgrund der Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist ein entgangener Gewinn nicht mehr zu entschädigen“, sagt Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt im Verbraucherzentrale Bundesverband. „Es wird Zeit, dass auch Anbieter und Gesetzgeber dies erkennen und die überkommenen Methoden durch eine faire und transparente Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen ersetzen. Die bisherige Methode halten wir für nicht mehr rechtskonform, Alternativen stehen aber zur Verfügung, wie die Untersuchung zeigt."

Das Marktwächter-Team stellte die Ergebnisse beider Berechnungsmethoden gegenüber mit folgendem Ergebnis: In neun von zehn Fällen war die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Methode von Professor Löw geringer. Im Durchschnitt war die Entschädigung bei dieser Methode 33 Prozent niedriger als bei der Aktiv-Passiv-Methode.

 

Methodik

Untersucht wurden 733 Anbieterberechnungen zur Vorfälligkeitsentschädigung, die nach der Aktiv-Passiv-Methode im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 abgelöst wurden. Die geforderten Entschädigungen wurden durch den Marktwächter erneut berechnet und mit den Anbieterforderungen verglichen. Bei insgesamt 502 Fällen wurde für denselben Zeitraum die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Methode Löw berechnet und der vom Marktwächter berechneten Entschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode gegenübergestellt. Bundesweit haben fünf Verbraucherzentralen im Zeitraum vom 1.1.2017 bis 15.3.2019 die Fälle zur Vorfälligkeitsentschädigung berechnet und dem Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Bremen zur Verfügung gestellt. Alle untersuchten Fälle stammen aus der Beratung der Verbraucherzentralen.

 

Downloads

Zu teuer beendet? | Vertiefende Marktanalyse des Marktwächters Finanzen | November 2019

Zu teuer beendet? | Vertiefende Marktanalyse des Marktwächters Finanzen | November 2019

Zu teuer beendet? | Vertiefende Marktanalyse zur Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen des Marktwächters Finanzen | November 2019

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