- Die Weiterentwicklung des Öffentlichen Verkehrs darf auch in der Corona-Pandemie nicht auf der Strecke bleiben.
- Der vzbv und weitere Verbraucherverbände haben gemeinsame Forderungen in drei Positionspapieren zusammengefasst.
- Zwei zentrale Maßnahmen bei der bedarfsgerechten Ausgestaltung des ÖPNV sind die „Fahrgaststimme“ und der „Hausanschluss Mobilität“.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat gemeinsam mit 13 Verbraucherzentralen, Mitgliedsorganisationen und Fördermitgliedern ein Jahr lang Forderungen entwickelt, wie der Öffentliche Verkehr für Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiver werden kann. Das Ergebnis sind drei gemeinsame Positionspapiere, in denen die Verbände Handlungsbedarfe vorstellen und Lösungen aus Verbrauchersicht skizzieren.
„Durch die Corona-Pandemie werden die Qualitätsdefizite im öffentlichen Verkehr wie durch ein Brennglas überdeutlich. Zudem sind die Verkehrsunternehmen wegen den ausbleibenden Fahrscheineinahmen in finanzielle Schieflage geraten. Ein dringend nötiges Investment in Angebotsausweitung und Digitalisierung bleibt daher aus. Aus Klimaschutzsicht und für Verbraucher ein Desaster. Die Krise des Öffentlichen Verkehrs muss endlich zur Chefinnensache werden“, so Klaus Müller, Vorstand des vzbv.
ÖPNV auf die politische Agenda heben
Das Verbändebündnis fordert nach Vorbild der Konzertierten Aktion Mobilität mit den Autobossen eine Konzertierte Aktion Öffentlichen Verkehr bei der Bundeskanzlerin einzuberufen. Beteiligt werden sollten neben den Unternehmen und Gewerkschaften die Verbraucher- und Fahrgastverbände. Ziel muss es sein, für Verbraucher eine zuverlässige und attraktive Alternative zum Auto anzubieten sowie Arbeitsplätze zu sichern. Zur allgemeinen Steigerung der Attrakivität des ÖPNV aus Verbrauchersicht hat der vzbv gemeinsam mit weiteren Verbraucherverbänden Forderungen in einem Positionspapier zusammengetragen. Außerdem wurden Forderungen zu zwei Maßnahmen erarbeitet, denen bei der bedarfsgerechten Ausgestaltung des ÖPNV besondere Bedeutung zukommen: die „Fahrgaststimme“ und der „Hausanschluss Mobilität“.
Einführung einer unabhängigen Fahrgastvertretung
Die Einführung einer bundesweiten und unabhängigen Fahrgastvertretung, der „Fahrgaststimme“, würde Nutzerbedürfnisse empirisch fundiert erforschen. Das daraus resultierende Wissen würde den Marktakteuren, der Politik und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Auf lange Sicht würde dies zu mehr Nachfrageorientierung führen und dem ÖPNV mehr Fahrgäste bringen.
Hausanschluss Mobilität sichert Erreichbarkeit
Der „Hausanschluss Mobilität“ soll, analog zu den städtischen Hausanschlüssen für Kanalisation, Strom und Wärme, eine effiziente kollektive Verkehrsnutzung ermöglichen. Ziel ist es, dass auch in dünn besiedelten Gebieten die Erreichbarkeit ohne eigenes Auto gewährleistet wird, gegebenenfalls auch mit anderen Mitteln wie etwa bedarfsgesteuerten Angeboten, wie Anrufsammeltaxi, Rufbussen oder Sammelverkehren (Pooling).
Erstmals stellt der vzbv konkrete Umsetzungsschritte für einen „Hausanschluss Mobilität“ zur Diskussion. In einem Gutachten „Bundeseinheitliche Gewährleistungspflicht zur Sicherstellung von Mindesterreichbarkeitsstandards im öffentlichen Personenverkehr – Hausanschluss Mobilität“ im Auftrag des vzbv haben Rödl & Partner verschiedene Anforderungen herausgearbeitet und deren Umsetzung überprüft. Das Verbraucherverbändebündnis schlägt folgende vier Handlungsempfehlungen vor:
- Gemeinsame, ambitionierte und verbindliche Mindesterreichbarkeitsstandards für öffentliche Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der Potenziale und Verbraucherbedürfnisse verschiedener Regionstypen erarbeiten.
- Eine neue Finanzierungszuständigkeit des Bundes gemäß Art. 104a ff. GG, konkret mit der Einführung eines neuen Art. 104e GG, „Finanzhilfen zur Schaffung des Hausanschlusses Mobilität“ schaffen.
- Eine Umsetzungsorganisationseinheit zum „Hausanschluss Mobilität“ einrichten, geeignet erscheint eine gemeinsame private Organisationsform, an der sich Bund und Länder beteiligen, anlehnend an die Bundesfernstraßengesellschaft.
- Finanzierung des „Hausanschlusses Mobilität“ sichern, in erster Linie aus Steuermitteln, um lokale Aufgabenträger zur Umsetzung zu befähigen; eine dritte Finanzierungssäule muss erarbeitet werden.