Das Widerrufsrecht des Käufers gem. § 355 BGB verwirkt nicht bei Überschreitung der in § 357 Abs. 1 BGB statuierten Frist zur Rücksendung der Ware innerhalb von vierzehn Tagen.
Die Beklagte betreibt einen Online-Shop, bei dem der Kläger am 24.05.2017 der Kläger mittels Online-Bestellung diverse Gegenstände zu einem Gesamtpreis von 1.627,00 € bestellte. Am selben Tag schickte die Beklagte dem Kläger eine Bestellbestätigung, der sie eine Widerrufsbelehrung beifügte. Am 06.06.2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf seiner auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung wenigstens in Bezug auf den Großteil der gelieferten Gegenstände mit einem Gegenwert von 1.592,00 €. Der Kläger schickte sodann einen Teil der bestellten Ware an die Beklagte zurück. Dieser Rücksendung legte der Kläger einen Rücksendeschein bei, auf dem er „Lieferung 1 von 2“ vermerkte. Auf diese Rücksendung erstattete die Beklagte dem Kläger am 10.07.2017 einen Betrag in Höhe von 692,00 €. Die weitere, streitgegenständliche Ware sandte der Kläger in einem zweiten Paket am 08.11.2017 an die Beklagte, welches der Beklagten ca. am 10.11.2017 zuging. In der Zeit zwischen den beiden Rücksendungen hatte weder die Beklagte dem Kläger gegenüber Ansprüche hinsichtlich der Rücksendung der streitgegenständlichen, im zweiten Paket befindlichen Ware angezeigt, noch hatte der Kläger mit der Beklagten Kontakt aufgenommen. Am 22.11.2017 bestätigte die Beklagte dem Kläger den Eingang der zweiten Rücksendung per e-Mail und erklärte sogleich, dass sie die Ware wegen der späten Rücksendung nicht zurücknehme und den dafür gezahlten Kaufpreis nicht erstatte.
Das Amtsgericht Münster hat der Klage stattgegeben., da er einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 900,00 € hat. Denn der Kläger hat ein ihm zustehendes Widerrufsrecht durch Erklärung des Widerrufs ausgeübt und die gelieferte Ware zurückgesandt. Die Beklagte kann die Rückzahlung seit dem 10.11.2017 nicht mehr verweigern, weil die Beklagte an diesem Tag die Ware vom Kläger zurückerhalten hat. Dass die Beklagte die Annahme in der Form verweigert, dass sie den Kläger zur Rücknahme aufgefordert hat und die Ware getrennt in ihrem Lager aufbewahrt, vermag nach Ansicht des AG Münster daran nichts zu ändern, da sie tatsächlich in Besitz der Ware ist und der Abschluss der Rücknahme ausschließlich von ihrem Willen abhängt. Dieser Anspruch ist auch nicht aus dem Grund erloschen, dass der Kläger seiner Pflicht zur Rückgabe der streitgegenständlichen Ware an die Beklagte weder unverzüglich noch innerhalb der vorgegebenen 14 Tage nachgekommen ist, sondern erst einige Monate später. Ausdrücklich normiert das Gesetz eine solche Folge, dass bei einer verspäteten Rücksendung durch den Verbraucher die Rückgewährpflicht des Unternehmers entfiele, nicht. Der Ausübung des Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger steht schließlich auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Bei objektiver Beurteilung hat der Kläger durch sein Verhalten keinen besonders intensiven Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen, nach dem sie mit der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger nicht mehr hätte rechnen müssen. Dabei kann dahinstehen, ob, wie vom Kläger behauptet, im Online-Handel regelmäßig mit verspäteten Rücksendungen zu rechnen ist. Die Beklagte musste jedenfalls nach dem konkreten Verhalten des Klägers eine zweite Rücksendung erwarten und konnte den streitgegenständlichen Kaufvorgang bei objektiver Beurteilung der Umstände nicht für endgültig abgeschlossen halten.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht. Klicken Sie hier, um sich in die Empfängerliste eintragen.
Datum der Urteilsverkündung: 12.09.2018