Eine Versicherung kann vom Vertrag zurücktreten, wenn ein Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss Fragen zum Gesundheitszustand bewusst wahrheitswidrig beantwortet.
Der Entscheidung des OLG Braunschweig liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Vater hatte im Jahr 2011 für seine damals 15-jährige Tochter eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Die Frage nach Vorerkrankungen im Versicherungsformular hatte der Vater mit „nein“ beantwortet, obwohl die Tochter damals bereits seit zwei Jahren an einer Psycho- und Verhaltenstherapie, unter anderem wegen Entwicklungs- und Essstörungen, teilnahm. Dies war dem Vater bekannt.
Als der Vater die Versicherung im Juli 2016 in Anspruch nehmen wollte, weil seine Tochter wegen psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage war, ihre Schulausbildung fortzusetzen oder eine Berufsausbildung zu beginnen, lehnte die Versicherung dies ab und trat vom Vertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurück.
Daraufhin erhob der Vater Klage vor dem Landgericht Göttingen. Dies wies die Klage jedoch zurück. Auch vor dem OLG hatte die Klage keinen Erfolg. Das OLG Braunschweig vertritt die Ansicht, dass die Versicherung zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt gewesen sei, weil der Vater die Fragen im Versicherungsformular arglistig falsch beantwortet habe. Er habe sich nicht darauf zurückziehen können, dass einige Störungen seiner Tochter seinerzeit ausgeheilt gewesen seien, denn im Wortlaut des Formulars sei eindeutig nach aufgetretenen Krankheiten in den letzten fünf Jahren gefragt worden. Da die Eltern ausweislich der Stellungnahme der Therapeutin auch mit in die Behandlung der Tochter einbezogen waren, wies das OLG Braunschweig die Behauptung des Vaters, ihm sei nur eine Lese- und Rechtschreibschwäche seiner Tochter bekannt gewesen, als Schutzbehauptung zurück. Weil der Vater damit erkannt und gebilligt habe, dass die Versicherung den Vertrag über die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht oder nur zu anderen Konditionen geschlossen hätte, wenn sie von der Krankheit der Tochter gewusst hätte, sei ihm ein arglistiges Handeln vorzuwerfen. Damit konnte die Versicherung vom Vertrag zurücktreten.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht. Klicken Sie hier, um sich in die Empfängerliste eintragen.
Datum der Urteilsverkündung: 13.08.2020