- Reiseversicherer wollte nicht für Schäden durch „länder- und kontinent-übergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit“ einstehen.
- Klare Kriterien für das Vorliegen einer Pandemie fehlten in den Versicherungsbedingungen.
- LG Berlin: Klausel ist nicht ausreichend klar und verständlich.
Für Verbraucher:innen muss verständlich sein, in welchen Situationen ihr Versicherungsschutz greift. Das bestätigt ein Urteil des Landgerichts Berlin nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv): Eine Klausel in den Bedingungen der Reiseversicherung „BD24 Berlin Direkt Versicherung“, nach der Schäden durch eine „länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit“ vom Versicherungsschutz ausgenommen sind, ist unzulässig. Der vzbv hatte die Pandemie-Klausel des Direktversicheres als zu unbestimmt kritisiert.
„Versicherungsbedingungen müssen klar und verständlich sein – erst recht, wenn es um die Frage geht, in welchen Situationen der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist“, sagt David Bode, Rechtsreferent beim vzbv. „Wird das Urteil rechtskräftig, könnten Verbraucherinnen und Verbraucher Geld zurückbekommen, wenn die Versicherung Kosten für wegen der Pandemie abgesagte Reisen unter Berufung auf diese Klausel nicht übernommen hat.“
Der Direktversicherer bietet unter anderem ein Versicherungspaket aus Reisekrankenversicherung, Reiserücktritts-, Reiseabbruchs-, Reisegepäck- und Notfallversicherung an. In seinen Bedingungen schloss das Untermehmen Schäden durch eine Pandemie vom Versicherungsschutz aus. Dabei wurde eine Pandemie als „eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit“ definiert.
Das Landgericht Berlin folgte der Auffassung des vzbv, dass die Klausel nicht ausreichend verständlich ist und gegen das gesetzliche Transparenzgebot verstößt. Der in der Klausel verwendete Begriff der Pandemie sei für einen juristischen und medizinischen Laien nicht hinreichend verständlich. Es bleibe unklar, ab und bis wann eine länder- und kontinentübergreifende Verbreitung einer Infektionskrankheit angenommen werden könne. Dafür fehle es an Kriterien. Der Versicherer verweise auch nicht auf die Entscheidung einer öffentlich anerkannten Gesundheitsorganisation wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder des Robert-Koch-Instituts. Es bleibe offen, ob für den Leistungsausschluss bereits das Vorliegen einer Pandemie oder erst Ausrufen einer Pandemie durch die WHO maßgeblich sein solle.
Für Verbraucher:innen ergeben sich deshalb nach Ansicht des Gerichts erhebliche und rechtlich relevante Unsicherheiten über die Reichweite des Risikoausschlusses. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne gar nicht zuverlässig einschätzen, ab welchem Grad der Ausbreitung ein Infektionsgeschehen als „länder- und kontinentübergreifend“ zu bewerten sei.
Datum der Urteilsverkündung: 05.01.2023
Aktenzeichen: Az. 52 O 194/21 – nicht rechtskräftig
Gericht: Landgericht Berlin