- Urteil: Auch verschreibungs- und apothekenpflichtige Medikamente können grundsätzlich zurückgeschickt werden.
- Versandapotheken müssen für Telefonberatung kostenlose Hotline anbieten.
- vzbv kritisiert den im Koalitionsvertrag vereinbarten Einsatz für ein „Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“.
Versandapotheken dürfen das Widerrufsrecht bei der Bestellung verschreibungs- und apothekenpflichtiger Medikamente nicht generell ausschließen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die Online-Apotheke Apovia entschieden. Das Gericht untersagte dem Betreiber außerdem, eine gebührenpflichtige Telefonnummer für die Kundenberatung anzugeben.
„Mit dem Urteil zeichnet sich in der Rechtsprechung immer mehr eine klare Linie zugunsten des Widerrufsrechts beim Online-Handel von Medikamenten ab“, sagt Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv. Zuvor hatten bereits das OLG Naumburg und das Landgericht Berlin die Rechtsauffassung der Verbraucherschützer bestätigt.
Widerrufsrecht auch für Arzneimittel
Apovia hatte in ihren Geschäftsbedingungen verschreibungs- und apothekenpflichtige Medikamente vollständig vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Der Betreiber verteidigte die Klausel vor Gericht damit, dass ihm ein Weiterverkauf der zurückgesandten Medikamente nicht möglich sei und sie damit „rechtlich verderben“ würden. Bei Versand von schnell verderblichen Waren gibt es laut Gesetz kein automatisches Widerrufsrecht. Das OLG Karlsruhe hielt diese Ausnahme allerdings nicht für einschlägig und schloss sich damit der Auffassung des vzbv an. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers stehe Verbrauchern auch bei Arzneimitteln grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu.
Beratung muss kostenlos sein
Das Gericht stellte außerdem klar: Online-Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, kostenlos zu beraten. Dadurch solle sichergestellt werden, dass Verbraucher Informations- und Beratungsmöglichkeiten nutzen können, die mit denen einer stationären Apotheke vergleichbar sind. Apovia hatte unter „Kontakt und Beratung“ lediglich eine kostenpflichtige Telefonnummer angegeben. Nach Auffassung des Gerichts halten Gebühren, auch wenn sie gering sind, Bestellkunden davon ab, die Hotline zu nutzen.
Nicht durchsetzen konnte sich der vzbv dagegen mit seiner Forderung, die Versandapotheke müsse dem Kunden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits vor der Bestellung in einer speicherfähigen Fassung bereitstellen.
Koalitionäre liegen mit dem Versandverbot daneben
Vor-Ort-Apotheken sind vielfach insbesondere für die Akutversorgung von Patienten eine unverzichtbare Anlaufstelle. Dies wird auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zurecht betont. Seit mehr als zehn Jahren gehören zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung jedoch auch sichere und zuverlässige Versandapotheken.
„Der im Koalitionsvertrag angekündigte Einsatz für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist falsch und nicht im Sinne von Verbrauchern“, so Kai Vogel, Leiter Team Gesundheit und Pflege beim vzbv. „CDU, CSU und SPD sollte klar sein, dass ein Verbot nicht zur notwendigen Stärkung von qualifizierten Leistungen von Apothekern führt. Es löst ebenso wenig die Probleme von Apotheken in strukturschwachen Regionen, die bereits um ihre Existenz kämpfen.“
Datum der Urteilsverkündung: 21.03.2018