- Kalorienangabe auf der Vorderseite bezog sich auf eine Müsli-Portion, die überwiegend aus fettarmer Milch bestand.
- BGH: Hersteller muss Kalorien pro 100 Gramm des Lebensmittels angeben.
- Kalorienangabe pro zubereiteter Portion ist unzulässig, wenn ein Lebensmittel auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Dr. Oetker untersagt, auf der Vorderseite von Müsliverpackungen nur den Kaloriengehalt für eine Mischportion aus Müsli und fettarmer Milch anzugeben. Damit zog der BGH einen Schlussstrich unter einen jahrelangen Rechtsstreit, in dem auch der Europäische Gerichtshof beteiligt war. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte dem Lebensmittelkonzern vorgeworfen, den Kaloriengehalt der Produkte schönzurechnen.
Hoher Energiewert durch Mischportion geschönt
Im Streitfall ging es um die Energiewert-Angaben auf der Verpackung des
„Vitalis Knuspermüsli Schoko + Keks“. Auf der schmalen Verpackungs-
seite war die gesetzlich vorgeschrieben Nährwerttabelle abgedruckt,
darunter der relativ hohe Energiewert von 448 Kilokalorien (kcal) pro 100
Gramm des Produkts. Zusätzlich nannte der Hersteller die Nährwerte für
eine Portion aus 40 g Müsli und 60 Millilitern Milch mit 1,5 Prozent Fettanteil. Für diese Mischung betrug der Energiewert nur 208 kcal.
Auf der Vorderseite der Verpackung wiederholte Dr. Oetker die Nährwertangaben pro Portion für 40 Gramm Müsli und 60 ml fettarme Milch. Der mehr als doppelt so hohe Energiewert pro 100 Gramm des Lebensmittels fehlte dort.
Dagegen hatte der vzbv 2018 vor dem Landgericht Bielefeld zunächst erfolgreich geklagt, die Berufung beim Oberlandesgericht aber verloren und Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Verstoß gegen EU-Verordung
Der BGH schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass Dr. Oetker gegen die Lebensmittelverordnung der Europäischen Union verstieß. Danach sind Hersteller verpflichtet, neben den vorgeschriebenen Nährwerten den Energiewert pro 100 Gramm des Lebensmittels anzugeben. Das gilt auch dann, wenn sie Angaben etwa zum Fett-, Zucker- und Salzgehalt an anderer Stelle der Verpackung freiwillig wiederholen. Nur ausnahmsweise darf sich der Energiewert auf eine 100-Gramm-Portion des zubereiteten Lebensmittels beziehen.
Diese Ausnahme gilt nach Auffassung des BGH nicht für Lebensmittel, die auf unterschiedliche Weise zubereitet werden können – also auch nicht für Müsli, das unter anderem durch die Zugabe von Milch, Joghurt oder Quark mit unterschiedlichen Fettgehalten, Fruchtsäften, Früchten, Konfitüre oder Honig zubereitet werden könne. Deshalb hätte Dr. Oetker die Kalorien pro 100 Gramm des puren Müsli angeben müssen.
Vorabentscheidung des EuGH
Der BGH folgte einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), den er zuvor zur Auslegung der EU-Verordnung eingeschaltet hatte. Der EuGH hatte argumentiert: Dürften sich Kalorienangaben der Hersteller auf unterschiedlich zubereitete Portionen beziehen, wären die Werte nicht miteinander vergleichbar. Das widerspreche dem Zweck der Verordnung, Verbrauchern einfach und leicht verständlich einen Vergleich der Nährwerte von Lebensmitteln zu ermöglichen (Az. C-388/20).
Verkaufsstopp für falsch deklarierte Müslis
Der BGH verurteilte Dr. Oetker dazu, die falsch deklarierten Produkte sofort vom Markt zu nehmen. Den Antrag des Unternehmens auf eine Aufbrauchfrist, um die bereits im Handel befindliche Ware noch verkaufen zu können, lehnten die Richter ab. Dr Oetker habe bereits 2018 nach dem Urteil des Landgerichts Bielefeld und erst Recht während des EuGH-Verfahrens damit rechnen müssen, den Prozess zu verlieren.
Datum der Urteilsverkündung: 07.04.2022
Aktenzeichen: ZR 143/19
Gericht: BGH