- Am 29. April 1998 wurde der deutsche Energiemarkt liberalisiert.
- Verbraucher können Strom- und Gasanbieter frei wählen und wechseln.
- Die Hoffnung auf sinkende Strompreise durch mehr Wettbewerb hat sich nicht voll erfüllt.
Einfach zu einem günstigeren Strom- oder Gasanbieter wechseln, wenn die Energierechnung zu hoch ausfällt – das wurde für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland am 29. April 1998 möglich. Damals wurde der Energiemarkt liberalisiert, das „Gesetz zur Neuregulierung des Energiewirtschaftsrechts“ trat in Kraft. Die Hoffnung war groß, dass mit mehr Wettbewerb auch die Preise kräftig sinken würden. Doch die Bilanz nach 20 Jahren fällt gemischt aus.
„Die Liberalisierung des Energiemarktes war wichtig und richtig. Monopole wurden aufgebrochen und die Zahl der Anbieter im Strom- und Gasmarkt hat sich vervielfacht. Umso wichtiger ist es jetzt, genau hinzuschauen, wenn sich große Energieunternehmen zusammenschließen. Die Preise für Verbraucher dürfen nicht noch weiter steigen“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Noch zu viele Verbraucher im teuren Grundtarif
Dank der Liberalisierung können Verbraucher ihre Strom- und Gasanbieter heute frei und relativ einfach wählen – und machen davon auch zunehmend Gebrauch. Wechselten im Jahr 2006 noch 700.000 Haushaltskunden ihren Stromanbieter waren es 2016 schon 4,6 Millionen. Im Gassektor wechselten 2007 nur 100.000 private Verbraucher, 2016 stieg diese Zahl auf 1,5 Millionen. „Allerdings ist die Zahl der Privatverbraucher, die den teuren Grundtarif beim regionalen Anbieter zahlen, immer noch zu hoch. Dabei ist der Anbieterwechsel der Hebel für Verbraucher, um Preisdruck zu erzeugen – und zu sparen“, so Müller. Der Anteil der Haushaltskunden im Grundtarif liegt bei rund 31 Prozent im Strommarkt und 22 Prozent im Gasmarkt.
Kritisch ist, dass der Fernwärmemarkt bei der Liberalisierung außen vor gelassen wurde. Fernwärmekunden haben bislang kaum Chancen zu wechseln. Die Regelungen sind aus Sicht des vzbv nicht mehr zeitgemäß und müssten dringend wie im Strom- und Gasmarkt angepasst werden.
Strompreis für Verbraucher zu hoch
Trotz Liberalisierung ist der Strompreis für private Verbraucher ab dem Jahr 2000 deutlich gestiegen. Er hat sich mit etwa 30 Cent pro Kilowattstunde mehr als verdoppelt und liegt im EU-Vergleich mit an der Spitze. Hauptpreistreiber ist die EEG-Umlage. Sie trägt – wie auch die kräftig gestiegenen Netzentgelte – ein Viertel zum Strompreis bei. Hinzu kommen acht unterschiedliche Abgaben, Umlagen und Steuern. Lediglich ein Viertel des Strompreises unterliegt tatsächlich noch dem Wettbewerb.
Der vzbv fordert, den Strompreis für private Verbraucher zu senken und die Kosten gerechter zu verteilen. Die Industrie profitiere von Vergünstigungen, während Verbraucher dafür aufkommen müssten. Um Verbraucher zu entlasten schlägt der vzbv vor, die Stromsteuer nahezu abzuschaffen, Teile der EEG-Umlage aus dem Staatshaushalt zu finanzieren und die Industrieausnahmen bei den Netzentgelten zu streichen.
Weitere Preissteigerungen drohen mit dem Um- und Ausbau der Stromnetze, der den Druck auf die Netzentgelte erhöht. Die Bundesregierung und die zuständigen Aufsichtsbehörden müssten die Kostenminimierung durchsetzen, fordert der vzbv. Die Optimierung der Netze müsse Priorität vor dem Ausbau haben.