Immer wieder beschweren sich Verbraucher über zweifelhafte Geschäftsmethoden von Anbietern im Telekommunikationsmarkt. Eine aktuelle Untersuchung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein zeigt, dass jeder vierte Betroffene der in der Untersuchung Befragten dabei bereits unbewusst einen Vertrag abgeschlossen hat. (Siehe hierzu Fußnote 1) Verbraucher wissen zudem oft nicht, ob sie ihre Einwilligung beispielsweise für Werbeanrufe erteilt haben. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, dass telefonisch geschlossene Verträge schriftlich bestätigt werden müssen.
Im Rahmen einer ausführlichen Studie zum Thema auffällige Vertriebsstrategien befragte das Marktwächter-Team betroffene Verbraucher, um den Ursachen und Folgen von fragwürdig abgeschlossenen Verträgen auf den Grund zu gehen. „Bereits 55 Prozent der befragten Verbraucher wissen nicht, ob sie dem Unternehmen eine entsprechende Einwilligung für Telefonwerbung gegeben haben, und inwiefern die Kontaktaufnahme zulässig war", so Tom Janneck, Teamleiter Marktwächter Digitale Welt bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Es ist auch schlichtweg nicht realistisch zu erwarten, dass Verbraucher sich an alle Unternehmen erinnern, denen sie möglicher Weise vor vielen Jahren eine Einwilligung erteilt haben."
Unklarheiten beim Vertragsschluss
Auch die Art und Weise des Vertragsabschlusses sorgte in vielen Fällen für Ungereimtheiten. Jedem vierten Betroffenen war nicht bewusst, dass er einen Vertrag abschloss. Fast jeder zweite Verbraucher (49 Prozent) unterzeichnete seinen Vertrag mit anderen Konditionen als vom Verkäufer angekündigt. In den untersuchten Fällen wurden unter anderem Fehlinformationen zum angeblichen Zeitpunkt des Vertragsendes weitergegeben, um Verbraucher zu einem neuen Vertragsschluss zu bewegen. „Einerseits wird hier auf die Unkenntnis des Verbrauchers gesetzt, andererseits werden vom Verkäufer sicherlich auch Formulierungen verwendet, die Missverständnisse zum Vorteil des Anbieters provozieren", erklärt Janneck.
Bekannte Masche: Untergeschobene Verträge
In der Untersuchung schilderten Verbraucher das Problem der untergeschobenen Verträge auch bei persönlichen Kontakten in einem Ladengeschäft. So sollten Betroffene beispielsweise für die Durchführung eines Beratungsgespräches im Shop unterschreiben – tatsächlich wurde die Unterschrift dann aber für einen vermeintlichen Vertragsschluss missbraucht. Den klaren Nachteil bei dieser Methode hat der Verbraucher. „Dieser muss im Falle eines Rechtsstreites beweisen können, dass ein Vertragsschluss seinerseits gar nicht gewollt war. Unternehmen sitzen hier schlichtweg am längeren Hebel", so Janneck weiter. „Die Betroffenen bleiben schnell auf drei- bis vierstelligen Schadenssummen sitzen."
Telefonwerbung und Haustürgeschäfte belästigend
Eine zu diesem Thema durchgeführte bevölkerungsrepräsentative Umfrage zeigte bereits im Dezember vergangenen Jahres, dass die Verbraucher mit dem Vertriebsverhalten der Anbieter nicht einverstanden sind. Über 80 Prozent der dabei Befragten gaben an, dass sie unaufgeforderte Telefonwerbung und Haustürgeschäfte als eher belästigend empfinden. (Siehe hierzu Fußnote 2) Weitere Informationen zu diesem Thema sind über diesen Link abrufbar.
Forderung nach stärkeren Maßnahmen zum Verbraucherschutz
Die Untersuchung der Marktwächter verdeutlicht die Notwendigkeit, endlich politisch konsequent zu handeln, um Verbraucher vor unerlaubter Telefonwerbung besser zu schützen. Otmar Lell, Leiter des Teams Recht und Handel beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., betont: „Wir fordern schon seit langem, dass lästigen Werbeanrufen durch den Entzug des wirtschaftlichen Anreizes ein Ende gesetzt wird. Bislang sind die im Rahmen solcher Telefonate geschlossenen Verträge trotz Missachtung des Verbots in der Regel wirksam. Um unseriösen Unternehmen diesen wirtschaftlichen Anreiz zu nehmen, verlangen wir die Einführung einer Bestätigungslösung: Verbraucher müssten dann einen telefonisch geschlossenen Vertrag zunächst in Textform, beispielsweise per E-Mail, bestätigen. Daneben sollte die Einwilligung in die Telefonwerbung ausdrücklich zeitlich befristet werden."
Der vzbv fordert die Bundesregierung zudem auf, im Rahmen der Verhandlungen zur ePrivacy-Verordnung sicherzustellen, dass das deutsche Schutzniveau zur telefonischen Direktwerbung erhalten bleibt. „Werbeanrufe dürfen auch in Zukunft nur mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung des Verbrauchers möglich sein. Die Bundesregierung muss sich im Rat der Europäischen Union hierfür einsetzen", so Lell.
Den gesamten Untersuchungsbericht finden Sie unten zum Download.
Methodik
Befragung über die Beratungsstellen: Grundgesamtheit: Verbraucher, denen mit fragwürdigen Vertriebspraktiken Telekommunikationsdienstleistungen angeboten wurden und welche anschließend die rechtliche Beratung einer der bundesweit rund 200 Beratungsstellen aufgesucht haben. Nettostichprobe: 289 Befragte. Erhebungsmethode: Strukturierte Leitfadeninterviews in Form eines standardisierten Fragebogens durch die Beratungskräfte in den jeweiligen Verbraucherzentralen. Auswertungsmethodik: Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring. Untersuchungszeitraum: 26. Juni - 31. August 2017.
Bevölkerungsrepräsentative Umfrage: Grundgesamtheit: In Privathaushalten in Deutschland lebenden deutschsprachigen Personen ab 14 Jahre. Nettostichprobe: 1.216 Befragte. Auswahlverfahren: Systematische Zufallsauswahl (mehrstufige geschichtete Stichprobe). Erhebungsmethode: Computergestützte Telefoninterviews (CATI) anhand eines strukturierten Fragebogens auf Basis einer Dual-Frame-Stichprobe. Untersuchungszeitraum: 21. August bis 5. September 2017. Statistische Fehlertoleranz: max. +/-3 Prozentpunkte in der Gesamtstichprobe. Institut: forsa.main Marktinformationssysteme GmbH.