Verbraucherinnen und Verbraucher mit Riester-Rentenversicherungen, die zulagenbedingt ihre Beiträge senken oder wieder erhöhen, zahlen doppelt: Laut einer Umfrage des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Hamburg geben 15 von 34 Versicherern an, bei zulagenbedingten Beitragsänderungen erneut Abschluss- und Vertriebskosten zu erheben – entweder auf Zulagen und/oder auf Beitragswiedererhöhungen.
Betroffen sind insbesondere Riester-Sparer, die für bereits laufende Verträge Kinderzulagen erhalten und entsprechend ihren Eigenbeitrag senken. Wenn sie nach dem Wegfall der Kinderzulagen den Eigenbeitrag wieder erhöhen, werden sie ein weiteres Mail zur Kasse gebeten. Die Gesamtbeitragssumme bleibt dabei gleich. Die Versicherer verlangen zuerst für die Zulagen nochmals Abschluss- und Vertriebskosten, später für die Beitragswiedererhöhungen, obwohl das alles bereits zu Beginn bezahlt worden war.
Das Problem: Lebensversicherer interpretieren eine Senkung des Eigenbeitrags als Teilbeitragsfreistellungen nach § 165 VVG. Jede Wiedererhöhung des Beitrags wird dann wie ein Neuabschluss des Vertrags behandelt und führt zu neuen Kosten. Das steht im Widerspruch zu der politisch intendierten Flexibilität der Altersvorsorge mit Riester-Verträgen.
Belastung für Riester-Sparer mit Kindern
„Riester-Verträge sollen vor allem für Sparer mit Kindern lukrativ sein. Diese Gruppe wird vom Gesetzgeber daher zu Recht besonders gefördert. Die doppelte Berechnung von Abschluss- und Vertriebskosten belastet aber vor allem Riester-Sparer mit Kindern“, kritisiert Sandra Klug, Teamleiterin Versicherungen beim Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Hamburg.
„Diese Praxis zeigt, wie ungeeignet versicherungsförmige Altersvorsorge ist, angemessen auf Veränderungen in der Lebenswirklichkeit zu reagieren. Das Standardprodukt Extrarente wäre in der Ansparphase demgegenüber völlig flexibel und würde solche absurden und verbraucherschädigenden Kosten nicht erzeugen“, ergänzt Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzmarkt im Verbraucherzentrale Bundesverband.
Über 360 Euro Mehrkosten pro Kind
Ausgangspunkt der Marktwächterumfrage war der Fall eines Verbrauchers mit einem Riester-Rentenversicherungsvertrag bei der Württembergischen Versicherung. Hier hätten sich die Mehrkosten für die Kinderzulage und anschließender Wiedererhöhung des Eigenbeitrages auf mehr als 360 Euro belaufen .
Ziel der Marktwächter-Experten war es, mit einer Umfrage unter Versicherern mit Riester-Rentenangeboten herauszufinden, wie verbreitet dieses Vorgehen in der Branche tatsächlich ist. Von den 34 Versicherern, die solche Verträge anbieten und dem Marktwächter geantwortet haben, räumten 15 ein, erneut Abschluss- und Vertriebskosten zu erheben.
Ähnliche Doppelbelastungen ergeben sich auch für Riester-Sparer mit schwankenden Einkünften und sich entsprechend ändernden Riester-Eigenbeiträgen sowie für alle Riester-Sparer, sofern sie nach der jüngst erhöhten Grundzulage ihren Eigenbeitrag entsprechend abgesenkt haben.
Methodik zur Umfrage:
Am 20.12.2018 haben die Marktwächter alle zu diesem Zeitpunkt unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen stehenden 85 Lebensversicherungsunternehmen angeschrieben und um die Beantwortung von sechs offenen Fragen bzw. Fragenkomplexen zum Thema „doppelte Erhebung von Abschluss- und Vertriebskosten bei Riester-Rentenversicherungen“ bis zum 31.01.2019 gebeten. 46 Versicherungsunternehmen haben geantwortet. Davon haben zwei Versicherungen mitgeteilt, nicht an unserer Befragung teilnehmen zu wollen. Zehn Versicherer haben angegeben, kein Riester-Produkt im Bestand oder im Vertrieb zu haben. 34 Versicherungsunternehmen haben Angaben gemacht.
Update vom 28.10.2019
Doppelte Abschluss- und Vertriebskosten bei Riester-Rentenversicherungen inzwischen unzulässig
Nach der Anbieter-Umfrage der Marktwächter hat auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in einer eigenen Stichprobenuntersuchung festgestellt, dass eine Vielzahl von Lebensversicherern Doppelprovisionen bei Riester-Rentenversicherungsverträge erhebt. Im aktuellen BaFin-Journal (Oktober-Ausgabe 2019, S. 7) teilt sie nun mit, dass diese Praxis laut einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen unzulässig sei. Die Verbraucherschutzabteilung der BaFin habe sich von allen betroffenen Unternehmen schriftlich bestätigen lassen, dass diese künftig keine mehrfachen Abschluss- und Vertriebskosten mehr erheben und Kundenbeschwerden zu bereits erhobenen erneuten Abschluss- und Vertriebskosten im Sinne der Verbraucher behandeln werden.
Die BaFin geht davon aus, dass eine doppelte Erhebung von Abschluss- und Vertriebskosten bei Riester-Rentenversicherungen nicht mehr stattfinden wird.
Ob Ihr Versicherer Ihnen doppelte Kosten berechnet hat, können Sie direkt bei ihm erfragen. Wird Ihre etwaig nachfolgende Beschwerde nicht in Ihrem Sinne bearbeitet, melden Sie das gerne über das Beschwerdepostfach des Marktwächters.