Datum: 16.03.2021

Pflegereform 2021: einmal Rolle rückwärts

Die angekündigte Pflegereform verspricht keine spürbaren finanziellen Entlastungen für Pflegeheimbewohner

Sohn schiebt seine demenzkranke Mutter im Rollstuhl

Quelle: Bilderstoeckchen - Adobe Stock

  • Pflegebedürftige sollen künftig nur einen gestaffelten Zuschuss ab dem zweiten Jahr im Pflegeheim erhalten. Die versprochene Deckelung der Eigenanteile entfällt.
  • Die Bundesländer fördern die Investitionskosten in Pflegeheimen zukünftig mit 100 Euro bundesweit pro Heimbewohner.
  • Massive Einschränkungen in der Verhinderungs- und Tagespflege geplant.

Die für das Jahr 2021 angekündigte Pflegereform geht in die nächste Runde. Nach dem im Oktober 2020 verabschiedeten Eckpunktepapier liegt nun ein inoffizieller Arbeitsentwurf für ein Pflegereformgesetz vor, der zahlreiche Leistungsveränderungen in der Pflege vorsieht. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßt die geplante Einführung eines Steuerzuschusses aus Bundesmitteln und die Einführung einer regelhaften Leistungsdynamisierung. Den neuen Vorschlag zur Reduzierung der Eigenanteile in der vollstationären Pflege hält der vzbv aber für inkonsequent und völlig unzureichend.

„Zu den Eigenanteilen in der Pflege kommen als weitere Belastungen noch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen des Heimes. Die Gesamtkosten für den einzelnen Heimbewohner belaufen sich auf bundesweit über 2.000 Euro monatlich. Bei einer Durchschnittsrente von 1.500 Euro ist das nicht finanzierbar“, so Klaus Müller, Vorstand des vzbv. „Das ist eine herbe Enttäuschung für jeden Heimbewohner in Deutschland und definitiv als Rolle rückwärts zu werten.“

Keine Deckelung der Pflegeheimkosten

Vergangenes Jahr kündigte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an, den Eigenanteil für Pflegebedürftige an den Pflegekosten im Heim für die ersten drei Jahre auf 700 Euro monatlich zu begrenzen und im Anschluss ganz entfallen zu lassen.

Jetzt plant das BMG für Betroffene künftig erst ab dem zweiten Jahr im Heim einen finanziellen Zuschuss in Höhe von 25 Prozent, der sich im dritten Jahr auf 50 und im vierten Jahr auf 75 Prozent erhöhen soll. Die durchschnittliche Verweildauer in deutschen Pflegeheimen beträgt jedoch lediglich 18 Monate, was bedeutet, dass Pflegebedürftige somit im ersten Jahr weiterhin keine finanziellen Entlastungen erfahren. Sie müssen den pflegebedingten Eigenanteil von bundesweit inzwischen deutlich über 800 Euro – mit weiter steigender Tendenz – alleine zahlen.

Die Investitionskosten zukünftig von den Bundesländern bundeseinheitlich mit 100 Euro pro Heimbewohner zu bezuschussen, bietet keine spürbare Entlastung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Derzeit reichen die Investitionskosten laut Verband der Ersatzkassen (vdek, Stand: Juli 2020) von knapp 300 Euro in Sachsen-Anhalt bis rund 550 Euro in NRW. Im Bundesdurchschnitt belaufen sie sich auf knapp 500 Euro. Ein pauschaler Zuschuss unabhängig von den regionalen Gegebenheiten und ohne entsprechende jährliche Dynamisierung deckt keinesfalls die Pflegekosten.

Massive Einschränkungen in der Tages- und verhinderungspflege geplant

Auch in der häuslichen Pflege kommt es zu erheblichen Belastungen der Betroffenen. Zu den finanziellen kommen bereits heute zeitliche und emotionale Belastungen der pflegenden Angehörigen dazu. Rund drei Viertel der Pflegebedürftigen versorgen Verbraucher derzeit zu Hause; die meisten allein durch pflegende Angehörige. Hier sind mehr Unterstützungsangebote nötig, doch genau das scheint der vorliegende Entwurf zu verhindern. Bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen und Leistungen der Tagespflege soll der Anspruch auf Tagespflege zukünftig auf 50 Prozent begrenzt werden. Gleiches gilt, wenn Pflegesachleistungen und Pflegegeld kombiniert werden, wobei die Pflegesachleistungen mindestens zu 50 Prozent in Anspruch genommen werden müssen. Diese Anrechnungsregelung gab es früher auch schon, wurde aber bewusst durch das Erste Pflegestärkungsgesetz aufgehoben.

Auch in der Verhinderungspflege sind Einschränkungen vorgesehen. Pflegebedürftige sollen nur noch 40 Prozent des Budgets für die Verhinderungspflege in Anspruch nehmen können, wenn pflegende Angehörige nicht tages-, sondern nur stundenweise eine Pflege durch eine Ersatzperson sicherstellen müssen. Das ist etwa bei einem Arztbesuch oder anderen wichtigen Terminen der Fall. Für viele Pflegebedürftige und pflegende Angehörige bedeutet das, dass sie sich eine häusliche Pflege organisatorisch wie finanziell nicht mehr leisten können und einen Umzug ins Heim erwägen müssen. Oft sind pflegende Angehörige gleichzeitig berufstätig und auf eine Tagespflegeinrichtung und stundenweise Inanspruchnahme der Verhinderungspflege angewiesen. Das ist der einzige Weg für sie die die häusliche Versorgung sicherzustellen und gleichzeitig berufstätig zu bleiben.

„Die genannten Budgetkürzungen sind nicht nur ein herber Rückschlag für Pflegebedürftige wie pflegende Angehörige. Sie sind auch gesellschaftspolitisch ein Rückschlag, wenn pflegende Angehörige ihre Arbeitszeit reduzieren oder ihre Berufstätigkeit ganz aufgeben müssen, weil eine Vereinbarkeit von Beruf und Pflege nicht mehr machbar ist. Dass sich Pflegebedürftige zudem die zusätzlichen Kosten für die Tagespflege nicht leisten können, ist ein Skandal“, so Müller.

Der vzbv fordert, die vorgenannten Budgetkürzungen in der ambulanten Pflege umgehend aus dem Entwurf zu streichen und endlich für substanzielle finanzielle Entlastungen der Pflegeheimbewohner zu sorgen.

Dies ist auch eine der Kernforderungen des vzbv im Rahmen seiner Bundestagswahlkampagne, zu der Sie hier mehr Informationen finden: https://www.vzbv.de/themen/bundestagswahl-2021

Upate 19.03.2021: Der Absatz zur häuslichen Pflege wurde angepasst, um unter anderem die geplanten Regelungen zum Pflegegeld klarer zu fassen.

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Mara Schläfke

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