Datum: 11.12.2019

Neue Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands

vzbv reicht Klage gegen Insolvenzverwalter der BEV ein

Bild einer Steckdose. Text: Musterfeststellungsklage BEV

Quelle: vzbv unter Verwendung von ihor_b - Adobe Stock

  • Der vzbv reicht eine Musterfeststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter der BEV Bayerische Energieversorgungsgesellschaft mbH ein.
  • In der Klage geht es um fehlerhafte Endabrechnungen, bei denen ein versprochener Neukundenbonus nicht berücksichtigt wurde.
  • Verbraucherinnen und Verbraucher können sich demnächst kostenlos in das Klageregister eintragen.

Die inzwischen insolvente BEV Bayerische Energieversorgungsgesellschaft mbH warb im Jahr 2018 mit preisgünstigen Strom- und Gaslieferverträgen. Der Preisvorteil ergab sich vor allem aus einem Neukundenbonus von bis zu 25 Prozent des Jahresverbrauchs bei Vertragsabschluss. So gewann der Versorger eine sechsstellige Zahl an Kunden. Nun wird den ehemaligen Kunden der BEV dieser Bonus im Insolvenzverfahren nicht angerechnet. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagt daher stellvertretend für alle Betroffenen gegen den Insolvenzverwalter des Energieversorgers.

„Die BEV hat Verbraucher mit dem Werbeversprechen eines Neukundenbonus gelockt. Durch die Insolvenz ging die vorzeitige Beendigung des Vertrags vom Energieversorger aus, nicht vom Kunden. Daher gibt es keinen Grund, den Kunden den Bonus vorzuenthalten. Die Forderungen zur Nachzahlung des Insolvenzverwalters sind unhaltbar. Mit der Musterfeststellungsklage möchte der vzbv Klarheit für Verbraucher schaffen“, sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv.

Neukundenbonus muss einberechnet werden

Der Insolvenzverwalter verweigert den Verbrauchern den versprochenen Bonus für Neukunden. Er verschickte Endabrechnungen und forderte die Verbraucher in vielen Fällen zur Nachzahlung auf. Der Insolvenzverwalter argumentiert, dass der Bonus nur dann zugunsten der Kunden zu berücksichtigen sei, wenn die Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten eingehalten wurde. Tatsächlich aber wurde die Belieferung aufgrund der Insolvenz durch die BEV vorzeitig beendet.

Bekannt wurde dem vzbv der Sachverhalt durch die Marktbeobachtung der Verbraucherzentralen. Im Beschwerdepostfach der Marktwächter gingen zahlreiche Beschwerden von Verbrauchern zu dem Energieversorger ein.

Der vzbv ist der Auffassung, dass der Bonus zu gewähren ist, unabhängig davon, ob Verbraucher ein Jahr lang beliefert wurden. Dies soll das Oberlandesgericht München feststellen. Der Neukundenbonus beträgt häufig zwischen 100 und 200 Euro. „Die wenigsten Verbraucher wollen verständlicherweise wegen dieses Betrages die Kosten und Mühen einer eigenen Klage auf sich nehmen. Deswegen klärt der vzbv mit der Musterfeststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter die strittigen Fragen. Betroffene müssen damit kein Prozesskostenrisiko auf sich nehmen. Das übernimmt der vzbv. Gleichzeit werden dadurch die Gerichte entlastet“, so Klaus Müller, Vorstand des vzbv.

Jetzt News-Alert abonnieren

Noch können betroffene Verbraucher nicht selbst aktiv werden, denn das Gericht muss die Klageschrift zunächst prüfen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Klage in dem Klageregister des Bundesamtes für Justiz (BfJ) öffentlich bekannt gemacht. Erst dann können sich Verbraucher in das Register eintragen und sich damit der Klage anschließen. Der vzbv wird über die Eröffnung des Klageregisters informieren. Den kostenlosen E-Mail-News-Alert zur Klage können Interessierte hier abonnieren:

 

Weitere Informationen zur Musterfestestellungklage finden Sie unter www.musterfeststellungsklagen.de

 

Häufig gestellte Fragen

Die Bayerische Energieversorgungsgesellschaft mbH (BEV) erregte mit preisgünstigen Strom- und Gaslieferverträgen die Aufmerksamkeit vieler Verbraucher. Vor allem auf Vergleichsportalen im Internet stachen diese Angebote hervor. Mit der Ankündigung eines bis zu 25-prozentigen Neukundenbonus gewann die BEV eine sechsstellige Zahl an Kunden.

Es dauerte nicht lange, bis die Verbraucher die Kehrseite dieser attraktiven Konditionen zu spüren bekamen: Zunächst versuchte die BEV, die Preise nach Vertragsschluss zu erhöhen.

Im Januar 2019 folgte der Insolvenzantrag und die Belieferung wurde eingestellt. Leidtragende sind die Verbraucher. Sie fallen nicht nur erstmal in die erheblich teurere Ersatzversorgung. Der Insolvenzverwalter verweigert ihnen außerdem den Neukundenbonus.

Dagegen geht der vzbv nun vor. Anders als vom Insolvenzverwalter behauptet, ist der Bonus nach Ansicht des vzbv unabhängig davon zu gewähren, ob die Verbraucher ein Jahr lang beliefert wurden. Dies gilt umso mehr deshalb, weil es allein in der Verantwortung des Unternehmens liegt, dass der Vertrag nicht erfüllt werden konnte. Mit der Musterfeststellungsklage soll festgestellt werden, dass den Verbrauchern der Neukundenbonus zu gewähren ist.

Folgende Voraussetzungen müssen in jedem Fall vorliegen:

  • Der Strom- oder Gasvertrag mit der BEV muss von Ihnen als Verbraucher, also zu nicht-gewerblichen Zwecken geschlossen worden sein.
  • Ihnen muss ein Neukundenbonus versprochen worden sein (dies ergibt sich aus dem Angebot sowie der Anlage zur Belieferungsbestätigung).
  • Sie wurden kürzer als ein Jahr beliefert und die BEV hat die Belieferung unter Berufung auf die Insolvenz eingestellt.
  • Der Neukundenbonus wurde Ihnen nicht gewährt.

Die Musterfeststellungsklage eignet sich vor allem für Verbraucher, bei denen sich aus der Endabrechnung eine Nachforderung des Insolvenzverwalters ergibt.

Eine erfolgreiche Musterfeststellungsklage würde zur Berücksichtigung des Neukundenbonus und damit zu niedrigeren Nachforderungen führen. Unter Umständen würde sich dank des Neukundenbonus sogar ein Guthaben zugunsten der Verbraucher ergeben, so dass sie gar nichts an den Insolvenzverwalter zahlen müssten. Ob darüber hinaus auch das Guthaben ausgeschüttet werden wird, ist leider ungewiss, da dies von dem vorhandenen Restvermögen der BEV abhängt.

Die BEV bzw. der Insolvenzverwalter haben den Neukundenbonus allenfalls dann gewährt, wenn der Verbraucher mindestens ein Jahr lang beliefert wurde. Auf Nachfrage bekamen Verbraucher oft zu hören, dass dies im Einklang mit dem Vertrag und insbesondere den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der BEV stehe.

Dem widerspricht der vzbv entschieden. Wir konnten keinen Passus in den AGBs identifizieren, der eine solche Lesart erlaubt. Selbst wenn es eine entsprechende AGB-Klausel gäbe, wäre sie unwirksam. Schließlich hat der Verbraucher gar keinen Einfluss darauf, ob das Unternehmen ein Jahr lang „durchhält“. Dieses Risiko darf daher nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden.

Grundsätzlich hat derjenige schlechte Karten, der Ansprüche gegen ein insolventes Unternehmen hat. Oft wird er, selbst wenn sein Anspruch anerkannt wird, nur einen Bruchteil seines Geldes erhalten. Anders sieht es aber aus, wenn das Unternehmen selbst noch Geld vom Verbraucher zu bekommen hätte. Dann kann der Verbraucher mit seinem Anspruch die Forderung des Unternehmens mindern. Anders als sonst in der Insolvenz funktioniert das in voller Höhe.

In jedem Fall sollten Sie das zahlen, was dem Insolvenzverwalter unstreitig zusteht.

Dies dürfte in der Regel der Betrag sein, der auch unter Berücksichtigung des Neukundenbonus zu zahlen ist und sich anhand Ihrer Abrechnung ermitteln lässt. Sofern Sie die Zahlung bezüglich des widersprochenen Betrages verweigern, besteht grundsätzlich die Gefahr, vom Insolvenzverwalter auf Zahlung verklagt zu werden. Auch wenn ein solcher Anspruch gar nicht besteht, bedeutet dies für den Verbraucher doch einigen Aufwand und nicht selten auch Kosten. Wir schätzen diese Gefahr zwar nicht als sehr hoch ein, völlig ausschließen können wir das beschriebene Risiko allerdings nicht.

Sollten Sie diese Gefahr nicht eingehen wollen, haben Sie die Möglichkeit, die streitige Forderung unter Vorbehalt zu zahlen. Sofern der vzbv mit seiner Rechtsauffassung durchdringt, könnte der unter Vorbehalt gezahlte Neukundenbonus vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden. Ob allerdings genügend Vermögen vorhanden sein wird, um diese Rückforderung zu bedienen, ist ungewiss.

Verbraucher können sich dazu gerne bei einer Verbraucherzentrale in Ihrer Nähe beraten lassen.

Die Musterfeststellungsklage richtet sich vor allem an die Verbraucher, die mit dem Neukundenbonus die Nachforderung des Insolvenzverwalters mindern oder tilgen wollen. Sie müssen ihre Forderung nicht zur Insolvenztabelle anmelden.

Eine Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle wäre nur dann zu erwägen, wenn Ihnen nach der Verrechnung mit dem Neukundenbonus ein Guthaben verbliebe – oder sich ein solches ohnehin schon aus der Endabrechnung ergibt.

Das Gericht soll feststellen, dass der Neukundenbonus auch dann zu gewähren ist, wenn Verbraucher nur deshalb kein volles Jahr lang beliefert wurden, weil die BEV zahlungsunfähig wurde. Es soll außerdem klären, dass der Neukundenbonus von der Nachforderung des Insolvenzverwalters abzuziehen ist.

Dann steht für alle Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, verbindlich fest, dass der Insolvenzverwalter den Neukundenbonus von seiner Forderung abzuziehen hat. Der Insolvenzverwalter hat sich daran zu halten und bereits erstellte Rechnungen zu korrigieren.

Nicht, sofern es Ihnen darum geht, die Nachforderung des Insolvenzverwalters zu mindern beziehungsweise zu tilgen. Wenn das Gericht festgestellt hat, dass dies möglich ist, muss sich der Insolvenzverwalter daran halten. Sie müssen dann nicht mehr klagen, der Insolvenzverwalter kann das Geld nicht mehr von Ihnen verlangen.

Geht es Ihnen aber darum, dass Sie ein Guthaben vom Insolvenzverwalter ausgezahlt haben möchten, besteht die Möglichkeit, dass Sie gesondert klagen müssen.

Der vzbv ist optimistisch, die Musterfeststellungsklage zu gewinnen.

Gleichwohl gibt es dafür keine Garantie. In jedem Fall sind die beteiligten Verbraucher an die Feststellungen gebunden, die im Urteil getroffen werden. Sie könnten dann auch nicht mehr selbst klagen. Ein Kostenrisiko besteht für die Verbraucher aber auch dann nicht, wenn der vzbv die Musterfeststellungsklage verliert.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat die Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht München eingereicht. Es wird einige Wochen dauern, bis das Bundesamt für Justiz das Register für die Musterfeststellungsklage eröffnet.

Sobald das Register eröffnet wurde, können Sie sich als Betroffener eintragen lassen. Bitte beachten Sie, dass dafür ausschließlich das Bundesamt für Justiz zuständig ist, nicht der Verbraucherzentrale Bundesverband und auch nicht das Gericht. Auf der Website des Bundesamts finden Sie alle notwendigen Informationen. Auch Nachfragen sind bitte ausschließlich an das Bundesamt zu richten.

Der vzbv informiert regelmäßig über alle wichtigen Schritte der Klage. Ausführliche Informationen finden Sie auf unserer Website www.musterfeststellungsklagen.de. Interessierte können sich außerdem für den News-Alert eintragen lassen, der via E-Mail über Neuigkeiten zur BEV-Klage informiert.

Weitere Informationen und Beratungsangebote finden Sie bei den Verbraucherzentralen der Länder. Mehr hier https://www.verbraucherzentrale.de/beratung

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