Shoppen Verbraucher im Netz, analysieren viele Anbieter ihre Daten für Werbezwecke. Wenn ein Supermarkt das Gesicht für ähnliche Zwecke scannt, würde die Mehrheit der Verbraucher dort seltener oder gar nicht mehr einkaufen. Das zeigt eine repräsentative Online-Befragung des Marktwächter-Teams Digitale Welt der Verbraucherzentrale NRW zum Einsatz von Gesichtserkennung in Supermärkten, sozialen Netzwerken und zu Sicherheitszwecken im Privaten.
Vier von fünf (78 Prozent) Befragten haben schon einmal davon gehört, dass Gesichtserkennung im Verbraucheralltag zum Einsatz kommt. Dabei ist es der Software möglich, anhand von Foto- oder Kameraaufzeichnungen Personenmerkmale zu erkennen und Gesichtsmuster zu analysieren. Den Einsatz dieser Technologie lehnt allerdings die Mehrheit der Befragten ab: Die Verbraucher sollten sich vorstellen, dass ihr Gesicht beim Einkauf von einer Kamera automatisch erkannt und für verschiedene Zwecke analysiert wird. Dabei stößt beispielsweise die Auswertung von Gesichtsaufzeichnungen für zielgruppenspezifische Werbung bei drei Viertel der Befragten auf große Ablehnung (76 Prozent „überhaupt nicht“/„eher nicht in Ordnung“).
Gesichtserkennung im Supermarkt unerwünscht
„Marketing mit Gesichtsaufzeichnungen – ohne Zustimmung der Verbraucher – löst starke Bedenken und Unsicherheiten bei ihnen aus. Schließlich ist das Gesicht ein unveränderliches biometrisches Merkmal, mit dem Verbraucher eindeutig identifiziert werden können“, warnt Ricarda Moll, Referentin im Marktwächter Digitale Welt in der Verbraucherzentrale NRW. 71 Prozent lehnen auch eine Auswertung für zielgruppengerechte Rabatte ab. Vor allem die Analyse des Gesichtsausdrucks zur Verbesserung von Werbespots wird von den Teilnehmern überwiegend kritisch gesehen (83 Prozent). Alle drei Einsatzmöglichkeiten werden von den über 60-Jährigen am stärksten abgelehnt.
Sorge um Kontrollverlust von privaten Daten
Die mehrheitliche Ablehnung spiegelt sich auch in den Datenschutzbedenken wider: Beim Einsatz von automatisierter Gesichtserkennung im Supermarkt wäre die Mehrheit besorgt, dass unbemerkt Informationen über sie gesammelt werden könnten (84 Prozent). Sie stören sich daran, in diesem Fall keine Kontrolle über die gesammelten Informationen zu haben (82 Prozent). Nur knapp ein Viertel (24 Prozent) vertraut darauf, dass die gesammelten Informationen nicht ohne Erlaubnis mit anderen Unternehmen geteilt und die Datenschutzinteressen im Auge behalten werden. Über zwei Drittel (69 Prozent) geben an, seltener oder überhaupt nicht mehr in einem Supermarkt einkaufen zu wollen, wenn dieser Gesichtserkennungstechnologie einsetzen würde. „Verbraucher sind also grundsätzlich auch dazu bereit, Konsequenzen zu ziehen, wenn sie eine Gefahr für ihre Privatsphäre sehen“, so Moll.
Gesichtserkennung in sozialen Netzwerken auch ein No-Go
In anderen Kontexten sehen Verbraucher den Einsatz ebenfalls kritisch: Fast alle Nutzer sozialer Netzwerkseiten* (90 Prozent) lehnen Gesichtserkennung – um etwa Freunde vorgeschlagen zu bekommen – durch den Netzwerk-Anbieter ab. Am geringsten ausgeprägt ist die Ablehnung der Befragten, wenn es um den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie durch Privatpersonen geht: Hier fände es die Mehrheit von ihnen in Ordnung, wenn etwa eine Überwachungskamera (z.B. an der Haustür eines Privathaushalts) das Gesicht zu Sicherheitszwecken analysieren würde (56 Prozent).
Datenschutzregeln konsequent um- und durchsetzen
„Die bestehenden datenschutzrechtlichen Regelungen und die ab Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung müssen beim Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien konsequent umgesetzt und durchgesetzt werden“, fordert Lina Ehrig, Leiterin Team Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Neben Gesichtserkennung weisen die Verbraucherschützer auf Überwachung durch andere Methoden des Offline-Trackings hin. So bietet beispielsweise auch die WLAN-Verbindung des Smartphones die Möglichkeit, Verbraucher in der Offline-Welt zu identifizieren und gezielte Werbung anzuzeigen. „Dies darf aus Verbrauchersicht nur mit Einwilligung möglich sein“, so Ehrig weiter. „Die aktuell in Europa verhandelte ePrivacy-Verordnung muss entsprechend nachgebessert werden.“
Weitere Informationen zur Reform der ePrivacy-Verordnung hier.
Methodik: Die Erhebung erfolgte mittels Online-Interviews anhand eines strukturierten Fragebogens. Befragt wurde eine repräsentative Stichprobe von 1.001 deutschsprachigen Internetnutzern zwischen 18 und 69 Jahren. *Basis „Nutzer von sozialen Netzwerken“: 571 Befragte. Die Befragung erfolgte im Zeitraum 09.08. bis 18.08.2017. Die Erhebung wurde im Online-Panel des forsa-Institutes durchgeführt. Statistische Fehlertoleranz: max. +/- 3