Viele Lebensmittel werben mit Gesundheitsversprechen. Diese Health Claims oder Angaben wie „zuckerfrei“ auf dem Etikett haben großen Einfluss auf das Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das belegt eine aktuelle Studie von Agrifood Consulting und der Universität Göttingen im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) und des Projekts Lebensmittelklarheit. Ob die Versprechen auch eingehalten werden, hat ein Marktcheck der Verbraucherzentralen untersucht. Das Ergebnis: 63 Prozent der untersuchten Produkte locken mit potenziell irreführenden Aussagen.
Die Studie „Verbraucherwahrnehmungen von Lebensmittelverpackungen“ des Projekts Lebensmittelklarheit zeigt: Für die Kaufentscheidung von Verbrauchern ist der erste Eindruck entscheidend. Informationen auf der Rückseite, wie die gesetzlich vorgeschriebene Zutatenliste oder Nährwertinformationen, haben kaum noch Einfluss auf die geweckten Erwartungen. Ein Beispiel: Den Hinweis „ungesüßt“ oder „ohne Zuckerzusatz“ verstehen über 90 Prozent der Verbraucher so, dass das Produkt keinen Zucker enthält. Über 50 Prozent der Befragten meinen, dass auch keine süßenden Zusatzstoffe (Zuckeraustauschstoffe, Süßstoffe) enthalten seien – ein Irrglaube. „Hersteller müssen bei der Kennzeichnung die Erwartungen der Verbraucher berücksichtigen. Um Produkte klar zu kennzeichnen, brauchen sie Informationen darüber, wie Verbraucher die Angaben verstehen“, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller.
Marktcheck der Verbraucherzentralen
Ein Marktcheck zu Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln der 16 Verbraucherzentralen zeigt: Lebensmittel mit vermeintlichem gesundheitlichen Zusatznutzen liegen im Trend. Ihr Anteil am gesamten Lebensmittelumsatz liegt inzwischen bei fünf Prozent. In einer Gemeinschaftsaktion haben die Verbraucherzentralen bundesweit Lebensmittel mit Gesundheitsversprechen auf dem Etikett untersucht: Knapp die Hälfte (43 Prozent) der 46 begutachteten Produkte wirbt mit Health Claims, die aus Sicht der Verbraucherzentralen nicht zugelassen sind.
Auf 22 der 46 Produkte wurde der Wortlaut von Gesundheitsversprechen in seiner Bedeutung unzulässig verstärkt. Ein Beispiel: Aus der erlaubten Formulierung „trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ wird „leisten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und der Funktionsfähigkeit der körpereigenen Abwehrkräfte". Diese Verfälschung ist laut europäischer Health-Claims-Verordnung nicht zulässig.
Schönfärberei auch bei Süßem und Fettem
Auch Vitamin- und Mineralstoffbeimischungen verpassen so manchem Lebensmittel ein gesundes Image. Bei über der Hälfte der geprüften Lebensmittel stammen die positiv hervorgehobenen Zutaten nicht aus dem Lebensmittel selbst, sondern wurden industriell zugesetzt. „Bei etwa jedem dritten Produkt wurden Kennzeichnungsmängel festgestellt, obwohl die Health-Claims-Verordnung der EU klare Vorgaben macht“, kritisiert Armin Valet, Lebensmittelreferent und Mitautor des Marktchecks bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
„Zu oft betreiben die Lebensmittelhersteller Schönfärberei auf dem Etikett“, so Klaus Müller. Der vzbv fordert die Hersteller auf, sich auf zugelassene Gesundheitsversprechen zu beschränken. Außerdem dürfen nicht länger Produkte mit Health Claims versehen werden, die einen hohen Zucker- oder Fettgehalt aufweisen. Bei zehn von 33 Produkten, die im Marktcheck untersucht wurden, war dies der Fall. Nährwertprofile seien längst überfällig, die die Anforderungen an die Zusammensetzung von Lebensmitteln definieren, die Health Claims tragen dürfen.
Studie zu Gesundheitsversprechen auf Lebensmittelverpackungen
Die zur Eröffnung der Internationalen Grünen Woche (IGW) vorgestellte Studie zu „Gesundheitsversprechen auf Lebensmittelverpackungen“ ist der dritte Teil von drei Verbraucherbefragungen mit insgesamt 2.250 Befragten durch die Agrifood Consulting und die Universität Göttingen im Jahr 2014 im Auftrag des vzbv und von Lebensmittelklarheit. Der Marktcheck wurde von allen 16 Verbraucherzentralen in Deutschland durchgeführt. Sie sind auf der IGW mit einem eigenen Stand in Halle 23 a präsent.
Das Projekt Lebensmittelklarheit.de
Das Internetportal www.lebensmittelklarheit.de ist ein Gemeinschaftsprojekt von vzbv und Verbraucherzentralen. Es bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, sich über die Lebensmittelkennzeichnung zu informieren und unklare Kennzeichnungen zur Veröffentlichung zu melden. Eine Fachredaktion prüft die eingegangenen Meldungen und kommentiert sie.
Das Projekt Lebensmittelklarheit sowie die Arbeit der Verbraucherzentralen im Bereich Ernährung werden durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.
Bildmaterial der getesteten Lebensmittel erhalten Sie bei der Verbraucherzentrale Hamburg am 14. Januar 2015 ab 13 Uhr bei Silke Schwartau, schwartau@vzhh.de.